Unter allen Beeten ist Ruh
Luis.«
»Und danach liest du uns was vor, ja? Aus dem Buch, das wir ausgegraben haben!«
»In Ordnung. Nach dem Mittagsschlaf kommt ihr zu mir, und dann lese ich euch was vor.«
»Mittagsschlaf?« Der kleine Kerl wollte sich ausschütten vor Lachen. »Wir machen hier doch keinen Mittagsschlaf! Das ist die Insel! Hier dürfen wir spielen, solange wir wollen! Du auch!«
Pippa lachte und sah Emil hinterher, als er zum Landungssteg rannte, den Daniel gerade als Sprungbrett benutzte. Dann machte sie sich mit Herzklopfen auf den schweren Weg zu Viktor. Sie fand ihn inmitten seiner Geflügelschar. Die Hühner stürzten sich begierig auf die Körner, die er im Gehege verstreute.
»Kommst du deine Schützlinge besuchen?«, fragte Viktor und lächelte. »Elsa, nicht streiten, es ist genug für alle da!« Er zeigte auf eine weiße Henne mit auffälligen dunklen Flügelspitzen. »Elsa ist ein Deutsches Reichshuhn. Wusstest du, dass für diese Züchtung nicht eine einzige einheimische Rasse verwendet wurde? Und dann so ein Name. Verrückt.« Sein Blick wanderte zu zwei braunschwarzen Hennen, die sich völlig synchron zu bewegen schienen. »Bertha und Martha, meine beiden Amerikanerinnen. Wyandotten sind das, der Name ist abgeleitet vom Indianerstamm der Huronen, die sich selbst Wyandotten nannten.«
Wieder was dazugelernt, dachte Pippa amüsiert, aber sie unterbrach Viktor nicht, sondern hörte weiter zu.
»Und diese fünf Gazellen hier, das sind Bergische Kräher. Unter den Hähnen dieser Rasse werden Wettkämpfe ausgefochten, bei denen die Länge ihres Krähens gemessen wird. Ein Hahn von denen würde die ganze Insel terrorisieren, deshalb gibt es hier Dodo und Buffy.«
Dodo war ein großes, muskulöses und hoch aufgerichtetes Tier mit blaugrünem Brustgefieder und elfenbeinfarbenem Nacken und Rücken. Sein Gesichtsausdruck war finster, aber sein prachtvoller, tief petrolfarben schimmernder Schwanz eine Augenweide.
»Dodo ist ein Lütticher Kämpfer. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen, wenn er sauer wird. Ganz im Gegensatz zu Buffy.«
Als Pippa bei ihrem Einzug in Viktors Haus dessen Informationen und Beschreibungen zu seinen gefiederten Lieblingen gelesen hatte, war ihr nicht klar gewesen, dass es sich bei einem Tier mit dem niedlichen Namen Buffy ausgerechnet um dieses Wesen handelte, das in diesem Moment bewegungslos dastand und sich mit beispielloser Würde dem beschämenden Schauspiel verweigerte, das die restliche Schar mit ihrem hysterischen Gepicke um die Körner bot. Buffy sah in Größe, Farbe und Form einem gefiederten Halloween-Kürbis zum Verwechseln ähnlich.
Viktor bückte sich und strich dem Giganten über den Rücken. »Er ist ein Buff Orpington, ein echter Brite. Hat sich selbst kastriert, der Dummkopf, als er ausbrechen wollte. Zu niedrig geflogen und in den Stacheldraht geraten. Eigentlich wäre er reif für den Kochtopf gewesen, Luis hat sich schon die Hände gerieben. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht. Dafür muss er jetzt mit einem Mädchennamen leben, das arme Tier.«
Der Hahn sah zu Viktor auf und gab ein gurrendes Geräusch von sich.
»Meine Großmutter in England züchtet Orpingtons. Aber Buffy ist der größte, den ich je gesehen habe.«
Viktor riss seinen liebevollen Blick von Buffy los und sah Pippa interessiert an. »Du hast eine Großmutter in England?«
Pippa lächelte beim Gedanken an ihre geliebte Oma Hetty. »Meine Familie mütterlicherseits kommt aus England. Sie leben in den Cotswolds, in der Nähe von Stratford.«
Beide wurden für einen kurzen Moment durch das Auftauchen der Rieke abgelenkt, die den Anleger ansteuerte.
»In den Cotswolds soll es schön sein«, sagte Viktor dann, »wundervolle Gärten. Steht schon auf meiner Liste für die Zeit nach Italien.«
»Wann fährst du zurück nach Italien?«
»Sobald hier alles erledigt ist. Anna wartet schon.«
»Anna?«, wiederholte Pippa verwundert. »Ich dachte, die Mailand-Frau heißt Ingrid?«
Viktor schien für einen winzigen Moment aus dem Konzept gebracht, fing sich aber sofort wieder und grinste breit.
»Ingrid war nicht sehr amüsiert, als ich abgereist bin. Anna ist die nächste auf der Liste.«
»Hut ab, die Damen fliegen auf dich.«
Pippa fasste sich ein Herz, Viktor endlich die Frage zu stellen, die ihr schon so lange unter den Nägeln brannte.
»Apropos fliegen: Wie hast du es eigentlich geschafft, von Mailand so schnell …«
Weiter kam sie nicht, denn ein verzweifelter Schrei zerriss die
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