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Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auerbach , Keller,
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ihn und beobachtete, wie Nante die Fähre mit sicherer Hand wieder ins Fahrwasser manövrierte.
    »Was ist denn heute los?«, fragte Nante schließlich. »Große Flucht aus der Idylle? Soll ich die Runden der Rieke verdoppeln?«
    Pippa lachte. »Idylle? Na, ich weiß nicht. Momentan dürfte jede Gummizelle idyllischer sein.«
    Nante sah konzentriert aufs Wasser. »Bei der letzten Runde ist Angelika mitgefahren.«
    »Ich habe sie an Bord gehen sehen.«
    »Sie hat regelrecht gestrahlt vor Glück.« Nante machte eine Pause und fuhr fort: »Sie wollte ihren Vater besuchen.«
    »Deshalb die Blumen. Das war Doras Blumenschmuck. Karin fand, es wäre zu schade, ihn wegzuwerfen. Sie hat ihn neu gebunden und an die Nachbarn verteilt.«
    »Ich weiß, ich habe bei Gerdi auch einen Strauß gesehen.«
    Aber Nante musste ihre Bemerkung über die Blumen als Spitze verstanden haben, denn nach kurzem Schweigen sagte er: »Angelika spart, wo sie kann. Sie ist arbeitslos. Einen so großen Strauß könnte sie sich niemals leisten.« Wieder machte er eine Pause. »Aber das wird jetzt wohl anders. Sie hat ja einen reichen Mann gefunden. Ich freue mich für sie.«
    Pippa warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. Freude sah anders aus. »Wohnt sie schon lange auf Schreberwerder?«
    Nante schüttelte den Kopf. »Erst, seit sie ihren Job im Ruhrgebiet verloren hat. Sie war Betriebskrankenschwester auf irgendeiner Zeche. Und als die zugemacht hat, ist sie wieder nach Berlin gezogen. Eigentlich hat ihr Vater auf Parzelle 6 gewohnt, aber ihm wurde es nach dem Tod seiner Frau zu einsam. Da hat er Angelika das Grundstück überschrieben.«
    Sie legten in Saatwinkel an, und Pippa übernahm die Aufgabe, Fahrkarten an die einsteigenden Passagiere zu verkaufen. Das Schiff wurde voll, denn an dieser Station gab es jenseits des kleinen Weges, der zum Steg führte, viele Parkplätze für Tagesausflügler, einen Alt-Berliner Gasthof mit stadtbekannter Küche und nicht allzu weit entfernt einen Buszubringer und ein kleines Hotel.
    Pippa machte es Spaß, mit den Passagieren ein paar Worte zu wechseln und die Fragen der Touristen nach der Route und den Sehenswürdigkeiten zu beantworten. Bis Hakenfelde spielte sie die Fremdenführerin und zeigte einem interessierten amerikanischen Ehepaar, welche Kapriolen der Grenzverlauf zwischen West-Berlin und der DDR hier früher geschlagen hatte.
    Die fremden Menschen und die frische Luft taten ihr gut. Sie stellte erfreut fest, dass sie den Tag guten Gewissens verbummelte, ohne sich mit dem Gefühl zu quälen, ihre Arbeit zu vernachlässigen. Als es ruhiger wurde, gesellte sie sich wieder zu Nante auf die Brücke.
    »Solltest du eine Dauerstellung anstreben – herzlich willkommen in der Besatzung der Rieke . Wenn dir dein Trinkgeld reicht, hast du den Job«, sagte Nante.
    »Ein wirklich interessantes Angebot: frische Luft und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.«
    »Einen butterweichen Chef lege ich noch obendrauf. Ist das nichts?«
    »Jedenfalls attraktiver als mein nächster Auftrag. Ich bin sogar des Schreibens und Lesens mächtig und würde die Einkäufe der Insulaner immer richtig beschriften und zustellen. Nur: Das Geld für meine Dauerkarte will ich dann zurück!«
    Nante lachte. »Kaum hat man Angestellte, ziehen sie einen Tarifvertrag aus der Tasche. Außerdem: Wenn ich mich recht erinnere, hat Viktor deine Transportkosten übernommen.«
    Pippa seufzte theatralisch. »Geizig und kleinlich – der geborene Chef.«
    Pippa beobachtete Nante verstohlen.
    Er war ein attraktiver Mann, groß und muskulös, braungebrannt mit dunklen, etwas zu langen Haaren. Kaum zu glauben, dass Angelika dieses leckere Angebot übersah und sich stattdessen an diese Made von Erdmann klammerte. Pippa gestand sich ein, dass sie bei Nante durchaus schwach werden könnte, gäbe es da nicht diesen quirligen braunäugigen Italiener, dessen Charme – leider – legendär war. Besonders bei anderen Frauen.
    Nante nahm den Gesprächsfaden wieder auf, als sie die Tour fortsetzten. Obwohl es ihn schmerzen musste, schien er das Bedürfnis zu haben, weiter über Angelika zu sprechen.
    »Sie hat mir von ihrer Verlobung erzählt.«
    »Hm.« Pippa entschied sich, ihre Meinung zu diesem Thema für sich zu behalten.
    »Sie überbringt ihrem Vater gerade die frohe Botschaft.«
    »Merkwürdig, dass sie und ihr Verlobter das nicht gemeinsam machen.«
    »Das hat mich auch gewundert«, sagte Nante, »aber ich nehme an, dass Lutz nicht gerade scharf

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