Unter allen Beeten ist Ruh
Jochen und drückte Pias Hand. »Sieht so aus, als hätte die Staatsmacht vor, morgen wieder hier einzufallen.«
»Und wie sieht es an der Artenschutz-Front aus?«, fragte Matthias.
»Schmidt ist wirklich verständnisvoll«, sagte Pia, »er hat noch einmal bekräftigt, dass ihn das nicht interessiert, weil es nichts mit diesem Fall zu tun hat. Außerdem hat ihm wohl gefallen, dass wir sämtliches Geld in die Kinder gesteckt haben: Gesangsstunden und Ballettunterricht für Bonnie, das Computercamp im letzten Sommer für Daniel und seine Segelohren-Operation …«
»Mama!!!«, rief Daniel entsetzt. Er war vor Verlegenheit tiefrot angelaufen.
Jochen strich sich in einer perfekten Imitation Kommissar Schmidts über das Kinn und sagte mit dessen rauchiger Stimme: »Ihre Ehrlichkeit, Herr Peschmann, lässt mich hoffen, dass Sie weiteren Abenteuern dieser Art in Zukunft aus dem Weg gehen werden, zumal Ihre ungesunde Gesichtsfarbe mir zeigt, dass Ihr viel zu hoher Blutdruck sich nicht mit Kerkerhaft vereinbaren ließe.« Alle am Tisch brachen in Gelächter aus, und Jochen redete mit normaler Stimme weiter: »Schmidt hat mir versprochen, mit einem der zuständigen Kollegen zu sprechen, ohne dabei meinen Namen zu nennen. Danach will er mir sagen, wie ich mich am besten verhalten sollte.«
»Ich bin auch angetan von Schmidt«, sagte Pippa, »unauffälliger Name, auffällige Intelligenz. Die perfekte Tarnung. Ich könnte mir vorstellen, dass Lutz ihn dramatisch unterschätzt.«
Das heißt: Ich kann es mir nicht nur vorstellen, ich weiß es sogar genau, dachte Pippa eingedenk der belauschten Unterhaltung zwischen Lutz und Angelika.
»Auf jeden Fall ist er verschlossen wie eine Auster, wenn es um Felix Maier geht«, bedauerte Karin.
Matthias hob den Kopf. »Immerhin hat er uns gesagt, dass der Ärmste mit Kaliumchlorid umgebracht wurde. Keine Ahnung, ob er uns überhaupt einweihen durfte.«
Jochen Peschmann schüttelte sich angewidert. »Wie kann man jemanden mit Kaliumchlorid töten? Das ist doch so gut wie unmöglich, oder? Wer frisst schon jemandem freiwillig Dünger aus der Hand?«
Daniel und Sven stießen sich verschwörerisch an, dann sprang Sven auf und ging aus dem Raum.
»Das können wir erklären, Paps. Wir haben im Internet recherchiert«, sagte Daniel stolz, »Sven holt die Informationen, die wir gefunden haben.«
»Dann hat sich der sauteure Computerkurs also gelohnt«, brummte Jochen und erntete wieder Gelächter. Jeder war bemüht, die anderen mit guter Laune darin zu unterstützen, nicht durchzudrehen und zumindest die Illusion von Alltäglichkeit zu erhalten.
Sven kehrte zurück und brachte eine schmale Mappe mit. Er schlug sie auf und sortierte einige bedruckte Seiten, auf denen einzelne Passagen mit Textmarker hervorgehoben waren.
»Kaliumchlorid«, begann er seinen Vortrag wie ein Referat in der Schule, »hat die Summenformel K Cl und ist wie Natriumchlorid – Na Cl – ein lösliches Salz. Es wird in vielen Bereichen eingesetzt, unter dem Namen E 508 zum Beispiel als Geschmacksverstärker in Würzmitteln, Fertiggerichten und diätischen Lebensmitteln.«
»Bäh, ist ja ekelig!«, entfuhr es Karin, die sich für diesen unqualifizierten Kommentar prompt einen strafenden Blick von Sven einhandelte.
»Außerdem dient es als Streusalz, als Dünger und ist Bestandteil schmerzhemmender Zahncremes bei empfindlichen Zähnen«, fuhr Sven fort. »Nicht nur das: Es wird bei Hinrichtungen durch Giftspritzen und beim Einschläfern von Tieren benutzt, denn es führt in hohen Dosen zum Herzstillstand. Allerdings wird es auch stark verdünnt in Krankenhäusern über Venenweil … äh … Venenverweilkanülen verabreicht, wenn ein Patient zu wenig Kalium im Körper hat. Zusammen mit Natrium ist Kalium nämlich für den Wasserhaushalt des Körpers und das Gleichgewicht zwischen Säuren und Basen zuständig.«
»Bin ich die Einzige, die sich hier gruselt?«, fragte Karin und sah sich in der Runde um. »Ich bitte euch: Dünger, Fertiggerichte und eingeschläferte Tiere – in einem Atemzug?«
Pippa, die Peschmanns und Matthias nickten zustimmend, und Daniel sagte: »Los, erzähl noch das mit der Selbstmordmaschine.«
Sven raschelte wichtig mit den Blättern vor sich und zog eins aus dem Stapel. »Also, es gibt in Amerika diesen Dr. Kevorkian, den sie Dr. Death nennen. Der war der Meinung, man müsste es Todkranken ermöglichen, Selbstmord zu begehen, wenn sie das wollten. Da aktive Sterbehilfe verboten ist und
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