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Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auerbach , Keller,
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ungestört«, sagte er, als sie sich gesetzt hatten. »Lutz ist nicht da, und Kästners Haus ist weit genug entfernt. Niemand wird uns hören.«
    Für einen kurzen Moment wurde es Pippa mulmig, aber sie kämpfte ihre Bedenken entschlossen nieder.
    Eine Weile schwiegen beide, dann sagte Viktor: »Ihre Schmerzen waren in den letzten Monaten unerträglich geworden. Da sie sich ständig verkrampfte, kam schließlich Dauerkopfschmerz dazu. Die Schmerztherapeuten wussten sich keinen Rat mehr. Dass Dora überhaupt noch lachen konnte und bei diesen Qualen nicht verrückt wurde, habe ich grenzenlos bewundert. Ich wäre nicht so tapfer.« Er lachte bitter auf. »Die Ärzte hatten sie ohnehin aufgegeben, sie sei austherapiert, haben sie gesagt. Die haben sich gedacht, die ist über achtzig, da ist jede Medizin vergeudet, wir kümmern uns lieber um junge Leute, die ihr Leben noch vor sich haben.«
    »Wenn dir das Feindbild hilft …«
    Viktor seufzte schwer. »Das tut es eben nicht, das ist ja das Schlimme. Immer wieder habe ich nach Rechtfertigungen für mich gesucht, und das hat auch eine Zeitlang funktioniert. Ich helfe ihr ja nur, weil andere es nicht tun. Alle lassen sie allein, aber ich bin bei ihr und erfülle ihren letzten Wunsch. Was mich überrascht, ist, dass es mich so fertigmacht, genau das getan zu haben. Ich habe nicht damit gerechnet, wie schwer es ist, mit niemandem darüber sprechen zu können. Mit der Entscheidung allein zu sein.«
    »Ich habe mich informiert«, sagte Pippa unnachgiebig, »das war Tötung auf Verlangen, und schon der Versuch ist strafbar. Im Strafgesetzbuch heißt es: Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen eines Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so liegt das Strafmaß zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.«
    »Das Gefängnis wäre mir gleichgültig«, antwortete Viktor, »das kann nicht schlimmer sein als meine jetzige Situation. Schweigen zu müssen ist wie eine Einzelzelle, und meine Schuldgefühle sind die Gitterstäbe. Aber wenn ich mich offenbaren würde, verlöre ich meine Freunde – und meine Familie. Als ich gesehen habe, wie sehr Luis und Herr X um sie trauern … und Karin … sie könnte mir das niemals verzeihen, vielleicht würde sie sogar den Kontakt zu mir abbrechen. Ich könnte es ihr nicht verdenken, schließlich ist ein Mörder kein passender Umgang für meine Enkel.«
    Pippa lächelte. »Dafür hast du die Bewunderung meiner englischen Großmutter. Sie hält deine … Hilfe für Dora für den ultimativen Liebesdienst.«
    Viktor stutzte einen Moment und nickte dann. »Du hattest Bedenken, dich mit mir zu treffen. Das bestätigt, was ich gerade gesagt habe: Je mehr davon wüssten, desto einsamer wäre ich.«
    Pippa fühlte sich ertappt, spürte aber keinerlei Ablehnung in seinen Worten. »Du kannst sicher sein, dass Oma Hetty ganz auf deiner Seite ist – und niemals darüber reden wird.«
    Ohne darauf einzugehen, sagte Viktor: »Dora und ich hatten alles genau geplant. Ich sollte am Abend der Party bei Erdmann heimlich wieder auf die Insel kommen. Und das habe ich getan.«
    »Aber wie denn?«, fragte Pippa ungläubig. »Wieso hat dich niemand bemerkt?«
    »Ich bin geschwommen. Erst von Saatwinkel bis Baumwerder. Die Insel ist unbewohnt und dient lediglich der Wasserversorgung. Dort gibt es nur den Tiefbrunnen und eine Anreicherungsanlage. Man kann dort nicht einmal mehr an Land gehen, aber ich musste mich ja nur am Ufer ein wenig ausruhen. Von dort bis Schreberwerder ist es nur noch ein Katzensprung, und bei Doras Grundstück bin ich aus dem Wasser gestiegen.«
    »Du machst Witze. Bei der Kälte? Das hält doch kein Mensch aus, ohne sich eine Lungenentzündung einzufangen, und du hattest nicht einmal einen Schnupfen.«
    Viktor zuckte mit den Achseln. »Luis und ich gehen ab März ins Wasser.«
    »Ich auch, aber nur in die Thermen in den Euganäischen Hügeln, die haben achtunddreißig Grad Wassertemperatur. Eure Art der Abhärtung ist mir entschieden zu preußisch.«
    »Aber für diesen Fall durchaus hilfreich, das musst du zugeben.«
    Allerdings ist es das, dachte Pippa. »Und wo hattest du dich während der ganzen Zeit versteckt? Du warst doch angeblich in Italien.«
    »Es gibt am Landwehrkanal ein Campinghotel, da bin ich abgestiegen. Die Saison ist noch jung, es waren kaum Gäste dort. Von dort aus konnte ich zu Fuß zum Ufer, um zu Dora zu schwimmen.«
    »Perfekt ausgesucht: einsam gelegen und dennoch zum Hinspucken nah.«
    Viktor nickte.

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