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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Rache, in ihm war nichts als der Wunsch nach dem Tod von Vlad Tomanovici. Er hätte ihn gleich bei seiner Ankunft erschießen sollen, als er den Rumänen neben seiner Limousine erwischt hatte, den Rücken zu ihm gewandt. Doch leise Skrupel hatten sich gemeldet, und so hatte er den Rumänen angeschrien, sich umzudrehen.
    Vlad Tomanovici aber hatte sich nicht umgedreht. Er hatte nur die Hände gehoben. Richie hatte noch einmal gebrüllt, er solle sich endlich umdrehen, damit er zum Teufel fahren könne. Vlad Tomanovici hatte mit einem Druck auf den Autoschlüssel in seiner linken Hand den Kofferraumdeckel entriegelt. Richie war mit dem Gewehr im Anschlag auf ihn zugeeilt. Der Rumäne hatte in den Kofferraum gelangt und sich dann umgedreht. In seinen Händen lag eine Uzi. Richie hatte gestoppt, als wäre er gegen eine Wand gelaufen.
    Fünfzehn Meter trennten die beiden voneinander. Lederer bildete in gut zehn Metern Abstand die dritte Spitze des Dreiecks. Er hatte ebenso wenig Angst wie Vlad Tomanovici. Der Rumäne müsste ihn schon direkt im Kopf treffen, um ihn auszuschalten. Die Tür des Mercedes war panzerverstärkt, die Seitenscheibe vor seiner Brust kugelsicher. Aber auch er schwitzte. Die Sonne brannte herab, als stünde sie über der mexikanischen Wüste. Kein Lüftchen regte sich, kein Tier war zu hören. Es war still wie in einem Grab. Nur die Augen der drei Männer huschten hin und her, um zu sehen, wer zuerst abdrücken würde.
     
    Die Bloody Devils erreichten die Kurve mit dem verunglückten Getränkelaster. Der Mannschaftsbus wollte sich gerade an die Spitze der losfahrenden Kolonne setzen. Die Harleyfahrer hielten an. Erwin glotzte die wilden Kerle mit ihren Waffen überrascht an. Neben sich hörte er Jana aufstöhnen.
    »Wir sind verloren.« Ihr Flüstern war bis zur letzten Sitzreihe zu hören.
    »Am sichersten ist, wir bleiben alle im Auto«, flüsterte der Streifenbeamte ebenso leise. Seine Lippen bewegten sich dabei kaum. Sein Blick war auf den Anführer der Rocker gerichtet, der die Nase in den Wind streckte und wie ein Jagdhund schnupperte.
    Erwin konnte den Blick nicht von der goldenen Kalaschnikow nehmen. Eine furchtbare Ahnung davon, was diese Waffe anrichten könnte, kroch wie eine Schlange unter seine Haut und ließ ihn frösteln. Er wusste, wenn er jetzt nicht handelte, würde diese Bande mit ihren Waffen über Niedernussdorf herfallen. Erwin bemerkte zu seinem Entsetzen, wie seine rechte Hand die Beifahrertür aufstieß und sein Körper den Mannschaftsbus verließ. Er stellte sich breitbeinig mitten auf die Straße. Der Anführer der Bloody Devils musterte ihn aus kalten Augen.
    »Wo wollt ihr denn hin?« Erwin versuchte möglichst finster zu gucken und die Brust rauszustrecken. Er hatte gelesen, dass Körpersprache in siebzig Prozent der Fälle über Sieg oder Niederlage entschied. Der Rocker zog die Augenbrauen fragend zusammen.
    »Wohin ihr wollen?« Jedes Wort betonte er laut und deutlich.
    »Wollen Dorf.« Der Anführer hatte eine tiefe und rauhe Stimme, die von zu viel Whiskey und Tabak abgeschliffen worden war.
    Erwin schüttelte energisch den Kopf. »Nix Dorf.« Er deutete auf den Horizont hinter der Rockerbande. »Ihr umkehren. Verschwinden.« Er wedelte mit beiden Händen.
    Der Anführer beugte sich leicht über seinen verchromten Lenker.
    »Wir Dorf. Du verschwinden.« Er parodierte die wedelnde Geste Erwins affektiert. Die Teufel hinter ihm lachten.
    Eine kleine Gewitterwolke ballte sich in Erwins Magen zusammen.
    »Komm, lass uns abhauen, solang wir noch schnaufen.« Franz Kramer war aus dem Käfer des Wirts ausgestiegen. »Mit solchene sollten wir uns nicht anlegen.«
    Erwin drehte seinen Kopf gerade weit genug herum, um dem bleichen Metzger ins Gesicht zu schauen. Dabei sah er, dass alle anderen Bürgerwehrler brav in ihren Autos saßen. Erwin fühlte die Gewitterwolke wachsen angesichts dieser Feigheit.
    »Wir sind die Einzigen, die zwischen denen und unseren Leuten stehen. Glaubst, die fahren zum Picknicken nach Niedernussdorf?«
    Franz Kramer presste die Lippen zusammen, verzog sich zurück in den Käfer. Erwin wandte sich wieder den Bloody Devils zu. Das war sein High Noon. Er war der aufrechte Sheriff, der von den Dorfbewohnern im Stich gelassen wurde und der Verbrecherbande alleine gegenübertreten musste. Wenn er diese Aufgabe überlebte, dann wartete vielleicht irgendwo eine Grace Kelly auf ihn. Bei dem Gedanken straffte sich seine Haltung. Die Gewitterwolke füllte

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