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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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des Fernsehens nichts geändert.
    Jetzt saßen Beppo, Olli und Seppl, der kurzbeinige Rauhhaardackel, auf dem Marktplatz und ließen sich die Brotzeit schmecken, die Ollis Mutter jeden Schultag einpackte. Olli klappte die Brote auf, einmal bekam er die Hälfte mit der Butter und Beppo die ohne, dann umgekehrt. Seppl bekam den Belag, Salami und Gelbwurst.
    Olli hasste Wurst, aber seine Mutter war in diesem Punkt schwer erziehbar. Wurst war wegen des Eisens und anderer mineralischer Spurenelemente lebensnotwendig für die gesunde körperliche Entwicklung ihres Sohnes, so ihre Meinung. Olli jedoch hatte mal einen Bericht in der Sendung mit der Maus gesehen, in dem erklärt wurde, was in so eine Wurst alles reinkam. Seitdem war er Halbvegetarier. Ab und zu ein Schnitzel, das war das Maximum an toten Tieren, sonst hielt er sich an Käse und Kartoffeln in Form von Pommes. Das reichte zum Wachsen.
    Sympathy for the Devil
aus der 450 -Watt-Stereoanlage in Lederers silbern glitzerndem Sportcoupé suchte und fand die Aufmerksamkeit der Niedernussdorfer, die an diesem Vormittag rund um den Marktplatz zugegen waren. Lederer parkte mit Schwung vor der Buchhandlung Köhler, die Musik erstarb, die elektrischen Fenster surrten nach oben, die Seitenspiegel legten sich wie folgsame Hundeohren an die Karosserie an. Lederer entstieg dem Wagen wie ein junger Gott und registrierte zufrieden die bewundernden Blicke der Dörfler. Jedenfalls Beppo und Olli hatten große Augen. Lederer zwinkerte ihnen zu, zielte mit seinen Zeigefingern wie mit Pistolen auf die Jungs.
    »Der schon wieder, da muss was passiert sein«, meinte Beppo.
    »Diesmal haben wir Gott sei Dank nichts damit zu tun.«
    Gisela schaute zu den Jungs. »Habt ihr keine Schule?«
    »Deutsch ist ausgefallen. Der Siebert ist krank«, antwortete Olli, ohne rot zu werden. Beppo nickte bekräftigend. Gisela sparte sich weitere Worte. Sie hatte Wichtigeres zu tun, als zwei Schulschwänzer zu ermahnen.
    Köhlers Buchhandlung machte auf modern. Die Regale waren ikeaweiß und feinsäuberlich beschriftet, die Kuschelsessel in der Sitzecke aus allergiefreundlichem Polsterstoff, und die Lampen an der Decke waren mit Glühmaterial versehen, das das Tageslicht imitierte. Energiesparend. Genau diesen penibel aufgeräumten Eindruck machte auch Johann Köhler. Dreiteiliger Anzug, blank polierte schwarze Schuhe, manikürte Fingernägel, Seitenscheitel wie mit der Axt gezogen, die Gesichtshaut straff und glatt, so gut wie keine Tränensäcke, die Augen lebendig und klar. Kurz und gut, ein feuchter Schwiegermuttertraum.
    »Schwul, oder?«, flüsterte Lederer Gisela zu, als er Köhler aus dem hinteren Teil des Ladens auf sie zutänzeln sah.
    »Nur weil er gepflegt ausschaut, muss der nicht gleich schwul sein«, flüsterte Gisela schnell zurück.
    »Ah, Polizeihauptmeisterin Wegmeyer, was für eine angenehme Überraschung.« Seine Augen fuhren Lederer von oben bis unten ab. »Oder deutet Ihr Besuch auf etwas Unangenehmes hin?«
    Der Laden war leer, so dass Gisela sich nicht zurückhalten musste.
    »Wir haben einen Mord aufzuklären.«
    »Oh, mein Gott, das ist nicht Ihr Ernst?«
    »Leider.« Sie schaute zu Lederer, der den Beutel mit dem Geldschein aus seiner Manteltasche zog, ihn Köhler hinhalten wollte, sich aber im letzten Moment bremste.
    »Herr Köhler, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass das Leben bisweilen hart und grausam sein kann.« Er strengte sich wirklich an, Samt und Seide in seine Stimme und seine Augen zu legen. »Das kann natürlich zu körperlichen und seelischen Erschütterungen führen, die ich absolut nachvollziehen kann. Niemand muss sich deswegen schämen.«
    Köhlers Kopf zuckte nervös von Lederer zu Gisela und wieder zurück. Er versuchte ein Lächeln. »Ist was mit meiner Mutter? Ist sie umgebracht worden?« Seine Hand legte sich unwillkürlich über den Mund, Tränen traten ihm in die Augen.
    »Nein, nein, um Gottes willen, mit Ihrer Mutter ist alles in Ordnung. Ich mein, ich weiß nicht, ob mit ihr alles in Ordnung ist, weil, wir sind in einer anderen Sache hier.« Sie nickte Lederer auffordernd zu. Er sollte Köhler den Fünfziger zeigen, bevor der zu heulen anfing. Lederer hielt den Geldschein hoch, Zitat nach vorne. Köhler glotzte drauf, seine Augen wassergefüllt.
    »Ich … ich kann das nicht lesen.«
    »Zwinkern Sie ein paarmal, dann drückt’s das Wasser raus.« Gisela machte es dem Buchhändler vor.
    Er zwickte die Augen fest zusammen, dass die Tränen die

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