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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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schien. Schorsch starrte zurück, während Jana warmes Öl auf seinen Rücken tröpfelte.
    Die sanften Harfenklänge, das leise Meeresrauschen und die weisen Augen der Meeresschildkröte lullten Schorsch allmählich ein. Janas Hände taten ihr Übriges. Stark und doch einfühlsam spürte sie die verspannten Stellen auf, drückte und walkte, knetete und kreiste, bis sich wohlige Wärme in Schorsch breitmachte. Seine Augen fielen ihm zu, er gab sich vollkommen hin.
    »Bitte umdrehen.«
    Schorsch riss die Augen auf. Die Meeresschildkröte starrte immer noch. Und lächelte spöttisch.
    »Was?«, rang sich Schorsch ab.
    »Der Rücken ist nur die halbe Massage.«
    Schorsch konzentrierte sich auf sein Geschlechtsteil, versuchte sich einen Verkehrsunfall auszumalen, bei dem ein Wagen auf der Autobahn gegen die Leitplanke prallte und sich überschlug.
    »Sie wollen doch die Komplettmassage, oder?«
    Das Auto schlitterte über die zweispurige Fahrbahn, ein weiterer Wagen konnte nicht ausweichen, prallte in das Unfallfahrzeug. Nachfolgende Autos fuhren auf, es wurden immer mehr, eine Bilderbuchmassenkarambolage, rhythmisch bumsten die Fahrzeuge aufeinander, verkeilten sich zu einem einzigen Blechkörper.
    »Sie haben noch eine Dreiviertelstunde, mein Herr.«
    Schorsch drehte sich schwerfällig auf den Rücken, hielt die Augen geschlossen. Er spürte, dass sich das Handtuch zu einem Frotteezelt aufgebaut hatte. Das warme Öl und die sanften Hände nahmen ihre Arbeit auf Schorschs Oberkörper auf. Schorsch presste seine Augen fest zu, ein Beichtstuhl tauchte vor seinem inneren Auge auf, darin saß eine Nonne, die ihren Habit hochgezogen hatte und einen Blick auf halterlose Strümpfe freigab.
    »O Gott, o Gott, o Gott«, stöhnte Schorsch.
    »Was? Stimmt etwas nicht?« Schorsch spürte, wie Jana ihre Hände von seinem Körper nahm. Er öffnete die Augen, schaute in das fragende Gesicht Janas.
    »Ich will alles«, hörte er sich krächzen.
    Jana runzelte die Stirn.
    »Alles? Was meinen Sie? Sie haben doch schon die Sorglosmassage. Mehr gibt es nicht.«
    Schorsch spürte, wie das Handtuchzelt zusammenfiel. Die ganze Wärme jagte blitzschnell von seiner Körpermitte in sein Gesicht und ließ es rot anlaufen.
    »Ähm, ich … ich dachte … also …«
    Jana schien entrüstet. Schorsch drehte seinen Kopf beschämt weg, schaute in die Augen der Meeresschildkröte.
    »Wenn Sie einen dieser Bären kaufen, würde ich mich sehr freuen.«
    Schorsch sah zu, wie Jana aus einem kunstvoll geschnitzten Basaltkästchen einen Schlüsselanhänger hervorholte. An dem Ring schaukelte ein kleiner Filzbär, etwa zwei Zentimeter groß, und glotzte Schorsch mit seinen grünen Glasaugen an. Jana lächelte lieb. Schorsch fühlte sich verpflichtet, seinen Patzer wiedergutzumachen.
    »Ja, der ist süß. Wie viel soll der denn kosten?«
    »Fünfzig Euro.«
    Schorsch blieb die Spucke weg. Jana beugte sich vor.
    »Ich würde mich sehr, sehr freuen.« Sie ließ den Bären über das Handtuch zu Schorsch Bauchnabel spazieren, ihre Augen glänzten und versprachen das Paradies.
     
    Gisela lag mit offenen Augen im Bett und lauschte dem Vogelgezwitscher und dem Gackern der Hühner. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber die Nacht hatte bereits dem Morgengrauen Platz gemacht. Es war kurz vor fünf Uhr.
    Ludwigs Arm lag auf ihrem Bauch, sie streichelte ihn versonnen. Sie liebte es, vor Sonnenaufgang neben Ludwig aufzuwachen, seine Wärme zu spüren und ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Sie dachte an ihren Vater, der Ionela für seine Frau hielt und einen innigen Kontakt zu ihr aufgebaut hatte. Die Rumänin war wie ein Engel, lautlos schien sie durch das Haus zu schweben, machte sich nützlich, ohne dass es einer Aufforderung bedurfte, wusch, putzte und kochte. Zuerst war es für Gisela ungewohnt gewesen, Hilfe im Haushalt zu haben, aber schließlich hatte sie Ionela die Zubereitung des Abendessens überlassen, und zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte sie die Muße, neben ihrem Vater zu sitzen und mit ihm gemeinsam dem Sprecher im Radio zuzuhören. Als Ludwig dann noch mit einer Flasche Rotwein dazukam, fühlte Gisela sich wie an Weihnachten. Eine unendliche Fröhlichkeit erfüllte sie im tiefsten Inneren, denn jeden Einzelnen am Tisch hatte sie gern, und es machte Freude, mit ihnen den Abend zu teilen. Sie war glücklich in Ludwigs Umarmung eingeschlafen.
    Es rumpelte draußen unter dem Fenster. Gisela hielt den Atem an, lauschte. Da, schon wieder. Etwas

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