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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Grünhardinger Wirtshaus, von Ionels Besuch, der Jakob anscheinend so erschüttert hatte, dass alle Hühner dran glauben mussten, und von ihrem schlechten Gewissen, so einen feinen Menschen wie Richie benutzt und ausgefragt zu haben. Dessen Blick war voller Gnade und Vergebung, er konnte diesem Engel nicht böse sein.
    »So, den knöpfen wir uns jetzt vor«, sagte Gisela.
    Ihre Männer sahen sie erstaunt an.
    »Wenn der meint, der kann sich alles erlauben, hat er sich geschnitten.«
    Schorsch und Erwin grinsten in freudiger Erwartung. Zusammen mit Gisela stiefelten sie zum Dienstwagen. Richie blieb zurück.
    »Ihr kommt auch ohne mich aus, oder?«, sagte er.
    »Logisch«, meinte Gisela. Ihr war es ganz recht, dass Richie sich um Ionela kümmerte. Die junge Frau brauchte jetzt jeden Trost, den sie nur kriegen konnte.
    Die Fahrt zum Hof der Tomanovicis verlief in grimmiger Stille. Zorn und Wut steigerten sich mit jedem Kilometer und erfüllten die drei mit unbändigem Tatendrang. Als sie an der Haustür der Tomanovicis klingelte, vibrierte die Luft vor Energie.
    Schorsch und Erwin hatten hinter Gisela Aufstellung genommen, ihre finsteren Mienen unterstrichen die Bedrohlichkeit. Schwere Schritte näherten sich der Tür, und als sie aufging, stand der Einäugige vor ihnen. Gisela verschlug es für einen Moment die Sprache. Die rechte Augenhöhle war ein Geflecht aus geschmolzener Haut und blassrosa Verwucherungen. Sie wirkte wie der knotige Aststumpf eines Baumes.
    »Ja, bitte?« Die Stimme des Einäugigen war tief und sanft.
    »Sind … sind Sie Ionel Tomanovici?«, sagte Gisela.
    »Nein, ich bin sein Vater. Um was geht es denn?«
    »Ist Ionel hier?«
    »Ich habe schon vor vielen Jahren aufgehört, meinen Sohn zu überwachen«, sagte Vlad Tomanovici mit einer Nonchalance, die an Überheblichkeit grenzte.
    »Wir haben den Hinweis erhalten, dass er eine junge Frau bedroht hat. Es wäre schön, wenn wir ihn dazu befragen könnten.«
    »Ionel soll jemanden bedroht haben?« Vlad lachte kurz auf. »Dann kennen Sie meinen Sohn schlecht.«
    »Ich kenn ihn gar nicht«, sagte Gisela trocken. »Deshalb wär’s gut, wenn ich ihn jetzt mal sprechen könnte.«
    Vlad öffnete die Tür weiter. »Wollen Sie warten?«
    »Gerne.« Gisela betrat ohne zu zögern das stattliche Haus. Schorsch und Erwin folgten wie brave Kinder. Die Inneneinrichtung des Hauses war geschmackvoll und stilsicher. Bestimmt hatten die Tomanovicis einen Innenarchitekten beauftragt, dachte sich Gisela.
    Vom hellen Flur aus zweigten mehrere Türen links und rechts ab. Alle standen offen und gewährten Einblick in den Luxus, der hier herrschte. Es gab ein Kaminzimmer mit einem Billardtisch, eine Bibliothek mit deckenhohen Regalen und einer Schiebeleiter, um auch an das entfernteste Buch zu kommen. Ein Badezimmer mit bambusverkleideten Wänden und einer Regendusche, die so groß war wie Giselas Büro. In einer Ecke war ein Jacuzzi eingelassen, darüber hing das gerahmte Gemälde einer nackten Frau. Auch im Wohnzimmer, das die Dimensionen eines Kinosaals hatte, hingen Gemälde nackter Frauen. Nicht anrüchig oder billig, sondern von einem Maler mit Gespür für das Wesen einer Frau. War die Frau im Badezimmer eher aufreizend erschienen, waren ihre Genossinnen im Wohnzimmer mal schüchtern, mal fordernd.
    Schorsch wusste gar nicht, wo er hinschauen sollte, so verlegen machten ihn die Damen, die ihn von den Wänden anzustarren schienen. Vlad bot Kaffee und Tee an und verschwand in der Küche, während sich Gisela mit Schorsch und Erwin auf der langen Ledercouch niederließ. Schorsch fläzte sich in die Kuschelecke, bis Giselas tadelnder Blick ihn wieder an die Sitzkante zurückbeorderte.
    Vlad kam mit einem Tablett zurück, darauf ein Samowar und eine Thermoskanne, sowie vier Tassen, Milch und Zucker.
    »Etwas zum Knabbern dazu?«, erkundigte sich Vlad höflich.
    Erwin und Gisela schüttelten den Kopf.
    »Ja, gern«, sagte Schorsch, bevor er das Kopfschütteln registrierte. »Oder, doch nicht.« Er klopfte mit beiden Händen auf seinen Bauch. »Ich muss ein bisschen aufpassen.«
    »Wieso? Sie stellen wenigstens was dar«, sagte Vlad. »Ich bin der Meinung, man sollte seine Bedürfnisse nicht unterdrücken. Ist nicht gut fürs Herz.«
    »Das gilt aber wohl nicht für alle Bedürfnisse, oder?« Gisela nickte, als Vlad fragend auf den Samowar deutete. Er ließ Tee in eine fein verzierte Tasse fließen.
    »Nur die grundlegenden«, sagte er. »Essen ist eines

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