Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
von seiner Reise mitgebracht hatte. Immer, wenn er sich ungesehen wähnte, stand er davor und sah sie an. Doch letztendlich war sie es auch, die ihn davon abhielt, auf dem Landweg Maladan erreichen zu wollen. Der Weg war viel zu weit, und alleine, um sein Essen unterwegs zu bezahlen, hätte er so viel Geld mitnehmen müssen, dass er es stehlen müsste. Er hätte zwar einen oder zwei Malaner aus der Kiste Elgars nehmen können, damit das Geld nicht so schwer wog, wie wenn er lauter Silberstücke mit sich führte. Ihm war es jedoch auch bewusst, dass er sich in seinem Alter einer großen Gefahr aussetzte, wenn jemand herausfand, wie viel Geld er bei sich hatte. Und schon der Umtausch eines Malaners in Silberstücke war ein unnötiges Risiko. Trotz seines Verlangens, Valralka zu sehen, war er immer noch überlegt genug zu erkennen, dass er dies nie erreichen würde, sollte er sich einer solch großen Gefahr aussetzen. Für einen Malaner würden manche Menschen töten, hatte Elgar einmal gesagt. Tankrond wusste, dass er leider damit recht hatte.
Fenja behielt ihn immer im Auge, auch wenn er so gut wie nichts mehr mit ihr sprach. Nur über das Nötigste unterhielten sie sich noch, meist betraf es nur die Dinge des täglichen Lebens. Als er nun wieder vor der Karte in der großen Stube stand und grübelte, bemerkte er nicht, dass Fenja neben ihn getreten war. Er dachte, dass alle aus dem Haus waren, sonst hätte er sich dort nicht hingestellt. Fenja machte sich nicht bemerkbar und blieb ruhig stehen. Tankrond, der ganz in die Karte vertieft war, brauchte einige Zeit, bis er spürte, dass er nicht mehr allein im Raum war. Als er sich umdrehte, erschrak er mehr über die Anwesenheit eines anderen Menschen als darüber, dass sie ihn dabei erwischte, wie er die Karte studierte. Sie blieb regungslos stehen und er wusste, dass sie seine Absichten kannte. Als sie immer noch nichts sagte, wollte er einfach hinausgehen. Fenja hätte ihn nicht aufgehalten. Er war schon in Richtung der Türe unterwegs, als er innehielt und sich zu ihr umwandte. Ohne dass sie gefragt hatte, gab er ihr eine Antwort.
»Ja, ich werde nach Maladan reisen. Koste es was es wolle.« Er blieb einfach stehen und wartete auf eine Antwort seiner Cousine.
Doch noch immer schwieg Fenja. Sie hatte sich fest vorgenommen, ihn nicht weiter nach seinen Plänen, die sie bereits durchschaut hatte, zu fragen.
»Du sagst nichts?«, wollte er nun wissen.
Fenja schüttelte nur langsam den Kopf. Dann jedoch war der Zwang zu reden stärker als der Druck zu schweigen. Sie erkannte, wenn sie nun nichts sagen mochte, dann würde Tankrond hinausgehen. Vielleicht war es dann auch das letzte Mal, dass sie ihn sah. Sie wusste schließlich nicht, wie weit seine Pläne schon gediehen waren.
»Wann gehst du?«, fragte sie ohne den von Tankrond erwarteten Widerwillen in der Stimme.
Er war froh, dass sie ihr Schweigen brach. »Genau weiß ich es noch nicht. Ich weiß nur, dass ich mit einem Schiff fahren muss. Der Landweg ist zu beschwerlich und sicher auch zu lang.«
Nun war es heraus. Innerlich freute sich Fenja, dass er ihr dies anvertraut hatte. Aber sie ließ sich nichts anmerken.
»Was ist, wenn du keinen Kapitän findest, der dich mitnimmt?«, wollte sie nun wissen. Es war ihr noch in guter Erinnerung, dass ihre Mutter böse auf ihn gewesen war, weil er nicht aufgepasst hatte und ins kalte Wasser des Hafens gefallen war. Auch wenn ihre Eltern, anders als sie, den wahren Grund dafür nicht einmal erahnten. Tankrond hingegen war über diesen Gedanken verblüfft. Er war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen. Wieso sollte er als blinder Passagier fahren, wenn er auch jemanden dafür bezahlen konnte, dass er ihn mitnahm? Schnell drängte er diesen Gedanken wieder beiseite und sagte zu Fenja: »Ich glaube nicht, dass jemand einen Fünfzehnjährigen einfach so mitnimmt, ohne ihm ein paar Fragen zu stellen.«
Dies leuchtete auch Fenja ein. Aber sie wusste Rat. »Dann solltest du ihm einfach die richtigen Antworten geben, mein Lieber.« Nun hatte sie sich, ohne es zu wollen, in Tankronds Fluchtpläne verstrickt. So sehr ihr der Gedanke daran missfiel, es war geschehen, und sollte er sie weiter in seine Pläne einweihen, dann würde sie ihn auch darin unterstützen.
Auch Tankrond hatte diese Erkenntnis gewonnen während er Fenja ansah. »Hilfst du mir?«
Sie hatte keine andere Wahl, ohne es eigentlich richtig zu wollen, nickte sie ihm zu. Noch am selben Abend saßen sie gemeinsam
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