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Unter deinem Stern

Unter deinem Stern

Titel: Unter deinem Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Connelly
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und warf Lily und Mary, die schuldbewusst die Augen niederschlugen, einen strafenden Blick zu. »Irgendwie ist der Eindruck entstanden, ein paar von uns hätten dich unerlaubterweise besucht.«
    Claudie spürte, wie sie errötete. »Wirklich?«, fragte sie gespielt ahnungslos.
    »Ja, wirklich!«, erwiderte Jalisa. »Falls das je herauskäme, müssten die Übeltäter für lange Zeit in der Sterberegistratur Totenscheine ausfüllen.«
    Claudie schaute kurz zu den Tudor-Zwillingen hinüber, die sich ganz plötzlich intensiv für ein paar Büroklammern auf ihrem Schreibtisch interessierten und jeden Blickkontakt mit Jalisa mieden.
    »Na ja, es ist ja wohl noch einmal gut gegangen«, sagte Claudie, räusperte sich und überlegte intensiv, wie sie das Thema wechseln könnte. »Wie geht es eigentlich Ihnen, Mr Woo?«
    Mr Woo blickte von seinem Platz auf Claudies Taschenwörterbuch auf. Offenbar freute er sich, dass sie ihn direkt ansprach. »Gut. Und dir?«
    Claudie lächelte. Die meisten Menschen stellten die Gegenfrage aus reiner Gewohnheit, aber bei Mr Woo wusste sie, dass er wirklich eine Antwort haben wollte. »Es geht mir gut, danke. Ich fand es nur schade, dass ich Sie in den letzten Tagen nicht um Rat bitten konnte.«
    »Ist das wahr?«
    Claudie nickte und dachte daran, wie sehr sie sich in der vergangenen Nacht, als sie Daniel hinausgeworfen hatte, gewünscht hätte, er wäre in der Nähe gewesen.
    »Bestimmt haben dir meine Witze ganz besonders gefehlt, stimmt’s, Claudie?«, mischte Bert sich grinsend ein.
    Claudie nickte wieder. Zum ersten Mal registrierte sie das Wort »Witze«. Bert – der Witzengel. Jedes Mitglied ist speziell für dich ausgewählt worden, weil er oder sie eine besondere Fähigkeit besitzt, die dir nützlich sein könnte, so ähnlich hatte Jalisa es damals gesagt. Berts Talent, Witze zu erzählen, war eine von vielen Eigenschaften, die sie an Luke geliebt hatte. Bisher war ihr der Zusammenhang nicht bewusst gewesen, aber auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Hinzu kam natürlich Berts Beziehung zu den MGM-Musicals.
    Sie schaute den Engel an. »Du musst mir alle deine neuesten Witze erzählen. Ich brauche ein bisschen Aufmunterung.«
    Bert strahlte. »Wird gemacht«, sagte er mit einem schelmischen Augenzwinkern.
    Mr Woo drehte sich um und funkelte ihn wütend an. »Du Stinkstiefel – sie war gerade dabei, sich mit mir zu unterhalten!«
    »Halt die Klappe, du Schwuchtel.«
    Claudie lächelte. Es war schön, wieder mit ihren kleinen Freunden zusammen zu sein.

19
    Es gab nicht viele Freunde aus seiner Studentenzeit, mit denen Simon noch Kontakt hatte, doch zum Glück telefonierte er immer noch hin und wieder mit Paul, der ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte, als seine Arbeitgeber kürzlich einen Website-Designer suchten. Es war nur ein kleiner Auftrag, aber die Firma hatte gute Kontakte, die ihm sehr nützlich sein konnten.
    Sie hatten ihn sogar in ihr Büro eingeladen, um mit ihm über ihre Vorstellungen zu diskutieren. Nun würde er also an einem Freitagnachmittag auf Kosten der Firma nach York fahren – eine bessere Gelegenheit, Mandy zu entkommen, gab es gar nicht.
    Simon hatte ganz vergessen, wie sehr er sich auf Zugfahrten langweilte, und nichts zu lesen mitgenommen. Deswegen musste er sich die Zeit vertreiben, indem er aus dem Fenster schaute und der leisen Musik aus dem Walkman seiner Nachbarin lauschte. Das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn das junge Mädchen, das aussah, als müsste es eigentlich in der Schule sein, nicht dauernd gegen das Tischbein zwischen ihnen getreten hätte. Simon zog in Erwägung, den Platz zu wechseln, aber es widerstrebte ihm, so ein Aufhebens wegen einer Nichtigkeit zu machen. Wo sollte er sich auch hinsetzen? Der Zug war ziemlich voll, und die einzigen freien Plätze befanden sich neben einem Mann, der sich alle elf Sekunden räusperte – Simon war das dermaßen auf die Nerven gegangen, dass er tatsächlich die Zeit gestoppt hatte –, und einer Frau, die ein stinkendes Eiersandwich aß.
    Er öffnete seine Aktentasche und überflog die Unterlagen. Es war alles in Ordnung.
     
    Claudie schaute durch das Zugfenster auf die vorbeiziehenden Felder. Sie war unterwegs zu ihrer wöchentlichen Sitzung bei Dr. Lynton. Sie hatte überlegt, ob sie den Termin absagen sollte, aber das erwog sie jede Woche, das war also nichts Neues.
    Wie immer stand sie vor dem Problem, worüber sie mit ihm reden sollte. Über den Vorfall mit Daniel zum

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