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Unter deinem Stern

Unter deinem Stern

Titel: Unter deinem Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Connelly
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irgendetwas Spezielles, worüber Sie heute sprechen möchten, Claudie?«
    »Ich glaube nicht«, sagte sie.
    »Wollen wir uns also weiterhin darüber unterhalten, wo Sie in Ihrem Leben stehen?«
     
    Claudie hätte am liebsten einen tiefen Seufzer ausgestoßen. Das war wie früher in der Schule, wohin kein normaler Mensch zurückwollte. Wenn die Engel nur die Sondererlaubnis bekommen hätten, sie zu Dr. Lynton zu begleiten, dann hätte sie die Sitzung vielleicht genossen. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie es zugehen würde, wenn das kleine Zimmer plötzlich von einer Schar Miniengel bevölkert wäre. Jalisa würde garantiert auf dem Ecktisch herumtanzen und auf den Blättern des Philodendrons Rutschbahn spielen, und Mr Woo würde bestimmt irgendetwas Interessantes in Dr.
    Lyntons unerschöpflichem Fundus an Büchern finden. Bert wäre sicherlich die ganze Zeit damit beschäftigt, ihren Therapeuten zu beobachten und nachzuahmen, und Lily und Mary – na ja, seit Claudie ihnen ein paar winzige Schminkpröbchen geschenkt hatte, waren sie nicht mehr ansprechbar.
    »Wir haben uns über die vier Stadien der Trauerarbeit unterhalten, nicht wahr, Claudie?«
    »Ja.«
    »Erinnern Sie sich noch, welche Stadien das waren?«
    Sie nickte. »Das Akzeptieren des Verlusts.«
    »Gut.«
    »Den Schmerz der Trauer durchleben.«
    »Richtig.«
    »Sich an die Umgebung gewöhnen, in der der Verstorbene jetzt fehlt.« Sie leierte die Worte herunter, als hätte sie für ein Examen gepaukt.
    »Sehr gut. Und das letzte?«
    Claudie biss sich auf die Lippe und wünschte inständig, die Engel wären in der Nähe.
    »Erinnern Sie sich an das letzte Stadium?«, fragte er noch einmal.
    »Nein«, sagte sie.
    »Es geht darum, die emotionale Energie von dem Verstorbenen weg und in eine neue Beziehung zu lenken.«
    Sie erinnerte sich.
    »In welchem Stadium befinden Sie sich Ihrer Meinung nach?« Er blickte von seinem Notizbuch auf, die großen, fleischigen Hände über seinem Gekritzel verschränkt. »Wie weit haben Sie es geschafft? Was meinen Sie?«
    Claudie drehte ihre Teetasse auf der Untertasse herum.
    »Glauben Sie, Sie haben sich inzwischen an Ihre Umgebung gewöhnt?«, fragte Dr. Lynton.
    Claudie starrte in die braunen Tiefen ihres Tees, aber dort fand sie keine Antwort. Selbst wenn die Engel da gewesen wären, hätte niemand außer ihr selbst diese Frage beantworten können.
    »Ja«, krächzte sie schließlich mit einer zaghaften Stimme, die nicht zu ihr zu gehören schien.
    »Das glaube ich auch. Nach allem, was Sie mir erzählt haben«, sagte er. »So«, er atmete tief aus, »was ist mit dem vierten Stadium? Haben Sie sich darüber vielleicht schon ein paar Gedanken gemacht?«
    Claudie starrte auf ihre Hände. Natürlich hatte sie sich darüber Gedanken gemacht, doch sie wollte sie nicht aussprechen.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich verändere. Aber ich bin immer noch nicht wieder die, die ich einmal war, und ich glaube auch nicht, dass ich wieder so werden kann wie früher.«
    Dr. Lynton nickte. »Weniger als die Hälfte aller Witwen ist nach dem ersten Jahr bereits wieder sie selbst. Sie dürfen nicht glauben, dass ich etwa versuche, Sie zu irgendetwas zu drängen.«
    Sie schaute ihn an. Konnte er Gedanken lesen? Es machte ihr regelrecht Angst, wie er es immer wieder fertig brachte, ihre geheimsten Gedanken auszusprechen.
    »Ein Neubeginn kann durchaus auch etwas Tröstliches haben, meinen Sie nicht?«
    Bitte, flehte sie innerlich, verlangen Sie das nicht von mir. Wie soll ich mich von meinem eigenen Mann lösen? Ich trage doch immer noch den Ring, den er mir bei der Hochzeit angesteckt hat. Sie drehte den Ring an ihrem Finger hin und her. Ich bin doch sicherlich nicht mehr verheiratet, dachte sie. Bedeutet das, dass ich den Ring abnehmen soll? Geht es darum? Kann ich überhaupt einen Neuanfang machen, solange ich den Ring noch trage?
    Dr. Lynton erhob sich aus seinem Sessel. »Ich möchte, dass Sie das hier mit nach Hause nehmen«, sagte er und reckte sich nach einem Buch in seinem Regal. »Ich weiß, dass Sie keine Bücher mehr wollten, aber ich bin davon überzeugt, dass Sie dieses als hilfreich empfinden werden.«
    Er gab Claudie den Band. »Seite dreiundsechzig«, sagte er. »Lesen Sie sich das Zitat von Freud einmal ganz genau durch.«
    Sie nickte höflich, und damit war das Thema erledigt.
     
    Zu Hause angekommen, ließ Claudie sich in einen Sessel fallen und starrte eine halbe Stunde lang auf ihre Schuhe.

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