Unter deinem Stern
Flasche entkorken?«, fragte sie Simon und zeigte auf eine Weinflasche. »Die Gläser stehen da drüben.«
Simon öffnete die Flasche und füllte die Gläser, die auf der Anrichte bereitstanden.
»Vier?«, fragte er.
»Ja. Hab ich das nicht erwähnt?« Kristen drehte sich um und lächelte ihn kokett an. »Claudie ist hier.«
»Nein, davon hast du nichts gesagt.«
»Ach, ich dachte, ich hätte es dir erzählt. Wie dumm von mir.«
»Allerdings«, stimmte er ihr zu, denn er wusste sofort, dass Kristen sich irgendetwas für den Abend vorgenommen hatte.
»Ich habe das komische Gefühl, dass ihr beiden euch richtig gut verstehen werdet.«
»Und ich hatte das komische Gefühl, dass du genau das sagen würdest.«
»Wie? Du glaubst mir nicht?«
»Nein, das ist es nicht. Ich mag es nur nicht, wenn jemand Entscheidungen für mich trifft.«
»Stell dich doch nicht so an.« Kristen knuffte ihn in die Rippen. »Los, komm«, sagte sie, während sie ihre Schürze abnahm. »Ich stelle dich ihr vor.«
Simon verzog das Gesicht, folgte ihr jedoch brav ins Wohnzimmer. Er konnte Kristen einfach nicht böse sein. Sie hatte so ein großes Herz, und sie war fest davon überzeugt, zu wissen, was gut für ihre Freunde war. Er würde das Ganze einfach mit Humor nehmen. Außerdem war er schon immer neugierig auf ihre Freundin gewesen.
»Claudie«, sagte Kristen, als sie das Zimmer betraten, »das ist Simon. Simon, das ist Claudie.«
Simon bekam vor Verblüffung den Mund nicht mehr zu. Vor ihm stand die Mondscheinfrau. »Hallo«, sagte er und reichte ihr lächelnd die Hand.
Ihre Augen weiteten sich. »Hallo.«
Kristen schaute erst Simon, dann Claudie an.
»Ihr kennt euch?«
»Nein«, sagte Simon.
»Ja«, sagte Claudie.
»Ja, flüchtig«, gestand Simon. »Wir sind uns mal begegnet.«
»Im Antiquariat«, sagte Claudie mit ihrem süßen französischen Akzent.
»Judy Garland«, sagte Simon, den das Ganze offensichtlich amüsierte.
»Judy Garland?« Kristen blickte verwirrt drein. »Ich wusste gar nicht, dass du genauso filmsüchtig bist wie Claudie.«
»Tja, da kannst du mal sehen. Es gibt eine Menge Dinge, die du nicht weißt.«
»Offenbar«, meinte Kristen verwirrt und schaute die beiden abwechselnd an. »Das ist aber seltsam.« Sie wandte sich an Jimmy, aber der schüttelte nur kaum merklich den Kopf, um ihr zu bedeuten, dass er nicht da hineingezogen werden wollte.
Während des Essens bestritt Kristen den Hauptteil der Unterhaltung, während Claudie und Simon kauten, hin und wieder nickten und einander anstarrten. Eigentlich war es unvermeidlich gewesen. Claudie hatte sich schon so oft gefragt, was dieser geheimnisvolle Simon wohl für ein Mensch sein mochte. Er war derjenige, an dem Kristen jeden anderen Mann in ihrem Leben maß. Sogar Jimmy.
»Er ist klug«, würde Kristen zum Beispiel sagen, »aber nicht so klug wie Simon.« Oder: »Er hat viel Humor, mit Simon kann er allerdings nicht mithalten.« Über die Jahre war Claudie dieses Gerede ein bisschen leid geworden. Warum hatte Kristen diesen Traummann nicht geheiratet, anstatt dauernd von ihm zu schwärmen? Das hatte Claudie nie begriffen.
Wenn sie ihn jetzt anschaute, konnte sie sich kaum vorstellen, warum er nicht längst verheiratet war. Er war klug, liebenswert, aufmerksam und attraktiv, und er hatte blonde Locken wie ein Engel. Natürlich nicht so, wie ihre Miniengel, eher so, wie man sich gemeinhin einen Engel vorstellte – als wäre er geradewegs aus einem Renaissancegemälde hergeflogen: pausbäckig und blond gelockt. Ja, er hatte die Art Locken, in denen man gern mit den Fingern spielte.
Bei dem Gedanken errötete sie. Sie konzentrierte sich auf ihren Suppenteller, um Simon nicht dauernd anzustarren, sagte sich jedoch, dass sie genauso auf ein schönes Tier reagieren würde. Einen Hund, zum Beispiel, oder ein Pferd. Warum sollte sie nicht auch einen gut aussehenden Mann wohlwollend betrachten? Es musste ja nichts bedeuten, egal, was Dr. Lynton dazu sagen mochte, und Männer taten das ja auch ständig.
Simon war ein attraktiver Mann, mehr nicht. Sie dachte wieder an seine Haare. Sie glänzten im Licht, als wären sie mit Diamanten besprüht.
Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was Kristen gerade erzählte. Ihre Freundin redete ohne Unterlass, offenbar in dem Bemühen, alle zu unterhalten.
Dann, am Ende des Abends, sagte Kristen wie erwartet: »Simon? Würde es dir etwas ausmachen, Claudie
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