Unter deinem Stern
irgendwie jede Farbe verloren, und sie hatte fast nur noch Dunkelblau-, Braun- und Grautöne getragen. Zwar war sie immer noch weit davon entfernt, einem Schmetterling zu ähneln, aber dieser Einkaufsbummel hatte ihr geholfen, sich aus ihrem farblosen Kokon zu befreien.
Sie hatte sogar ein Paar hohe schwarze Lederstiefel erstanden, die sich wie eine zweite Haut um ihre Beine schmiegten. Außerdem hatte sie etwas ganz Verwegenes getan. Sie hatte sich neue Unterwäsche gekauft. Eigentlich kam es ihr fast albern vor, sich etwas zuzulegen, was sie gar nicht brauchte, aber der Charme von Paris begann schon jetzt, sich auf sie auszuwirken, und sie hatte an den Kreationen aus Seide und perlenbesetzter Spitze einfach nicht vorbeigehen können.
Sie ließ den Blick noch einmal durch die Wäscheabteilung wandern und dachte an das Wochenende, das vor ihr lag.
Paris. Allein das Wort hatte einen bezaubernden Klang. Einen Augenblick lang fragte sie sich, was Luke wohl von einem Wochenende in Paris gehalten hätte. Wahrscheinlich überhaupt nichts. Paris hätte Luke nicht die Bohne interessiert. Sie wäre so gern einmal mit ihm dorthin gefahren, doch er hatte sie immer nur mit ihrem Wunsch aufgezogen.
»Claudie, ich werde nicht mit dir an den Ufern der Seine singen und tanzen. Das hat nichts mit dem wirklichen Leben zu tun und erst recht nicht mit mir.«
Dass er mit Singen und Tanzen nichts zu tun haben wollte, fand sie gar nicht so schlimm, und die Vorstellung von Luke als Balletttänzer war vollkommen lächerlich, aber sie wäre nur zu gern einmal mit ihm nach Paris gereist. Doch Luke hatte sich in großen Städten wie in einem Gefängnis gefühlt, sie raubten ihm den Atem, hatte er stets gesagt. Sein Fachgebiet war die Geologie, und das Einzige, was ihn interessiert hatte, war die freie Natur, und gerade das hatte Claudie an ihm geliebt.
Dennoch hätte es bestimmt Spaß gemacht, mit ihm einen Kurzurlaub auf dem Kontinent zu verbringen. Sie waren nie weiter als bis Cumbria gekommen, selbst auf ihrer Hochzeitsreise, die sie in einer winzigen Hütte in Eskdale verbracht hatten. Es waren zwei fantastische Wochen gewesen, auch wenn es nach nassem Hund gestunken hatte und der Gaskocher kaputtgegangen war. Aber sie hatten die Zeit genossen.
»Claudie?«
Claudie erstarrte, die rechte Hand gefährlich nahe an einem erdbeerfarbenen Höschen. Langsam drehte sie sich um. Sie wusste, wer sie angesprochen hatte, und sie wusste auch, dass es in der Damenwäscheabteilung keine Möglichkeit gab, sich zu verstecken. »Hallo, Daniel.«
»Na, wie geht’s?«, fragte Daniel. Seine langen schwarzen Haare wippten um seinen Kopf, als er mit federnden Schritten auf sie zukam.
»Gut«, sagte Claudie.
»Schön.« Er lächelte nervös. »Du siehst auch gut aus.«
»Du ebenfalls.«
Er strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Machst du einen Einkaufsbummel?«
»Ja«, antwortete sie und fragte sich gleichzeitig, was er in der Damenwäscheabteilung zu suchen hatte. Andererseits, was ging sie das an? Womöglich war er ebenso peinlich berührt wie sie. »Ich hab nur ein paar Besorgungen erledigt. Du weißt schon«, sagte sie.
Er nickte, schaute sich um und wandte sich ihr wieder zu. Ihr fiel auf, dass er errötet war. Einen Augenblick lang schwiegen sie peinlich berührt.
»Hör zu«, sagte er schließlich und starrte verlegen auf den Boden. »Was neulich passiert ist – das tut mir wirklich Leid.«
Claudie betrachtete denselben Punkt auf dem Boden. »Ist schon in Ordnung.«
Daniel schüttelte den Kopf. »Ich hab mich ziemlich danebenbenommen.«
»Ich auch«, sagte sie, und er schaute sie an. »Sorry, dass ich so ausgerastet bin. Ich hoffe, ich habe dir nicht wehgetan?«
»Nein, nein. Ich kann’s dir nicht verdenken. Manchmal bin ich einfach ein Vollidiot.«
»Nein, bist du nicht.«
»Doch«, sagte er grinsend. »Auf jeden Fall hatte ich sowieso vor, dich anzurufen, um mich bei dir zu entschuldigen. Ich wollte diese Geschichte nicht einfach so auf sich beruhen lassen.«
»Wo hast du denn die ganze Zeit gewohnt? Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.«
Daniel lachte. »Das war unnötig. Ich habe eine Frau kennen gelernt.«
»Wirklich?«
»Ja«, sagte er, sichtlich begeistert. »Sie ist großartig. Und du wirst es nicht glauben, aber sie kommt mit mir nach London.«
»Ach ja? Ist das nicht –« Claudie suchte nach dem passenden Wort, »– ein bisschen plötzlich?«
»Doch – natürlich! Ich kann es selbst noch nicht fassen. Aber sie
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