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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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ganz runter zum Fluss geschafft, bevor einer der Jungen sie entdeckte. Sie haben beide großes Glück gehabt, dass sie nicht in eine Falle getreten sind.
    Ich hoffe, Du arbeitest fleißig und bist nett zu den Hausmüttern und Lehrerinnen. Vanessa soll Dir was von ihrem Essen abgeben. Ich vermisse Dich sehr, besonders zur Teezeit. Jede Nacht schlafe ich in Deinem Bett und tagsüber auf Deinem Sessel.
    Alles, alles, alles Liebe
    von Deinem besten Freund und größten Anhänger
    des Bobo-Fuller-Fanclubs,
    Jason King
    OXO

Roger Huntingfords Krieg

    Hodge mit Männern des Nandi-Stammes
in Kenia, ca. 1930
    Tante Glug, Mums jüngere Schwester, lebt heute zusammen mit ihrem Ehemann Sandy, einem leidenschaftlich geliebten Hund namens India und ein paar Katzen in einem kleinen schottischen Dorf. Ihre drei Kinder sind erwachsen und haben das Elternhaus verlassen, aber Langlands Lodge wirkt immer noch so, als würden hier Kinder großgezogen. Seine Gerüche sind tröstliche Kinderzimmergerüche: nach warmem Toast, frisch aufgegossenem Tee, gedünsteten Pflaumen. Wären meine Eltern im Rhodesischen Krieg umgekommen, hätte man Vanessa, Olivia und mich in Langlands bei Tante Glug und Onkel Sandy untergebracht. Dadurch hatte das Haus für uns von jeher etwas von einer Zuflucht, von einem Ort der Gewissheit und Sicherheit. Ich schlafe hier tief und fest (vierzehn Stunden am Stück) und esse hemmungslos, mampfe mich systematisch durch Onkel Sandys Aufläufe, Vollkornbrötchen, Gewächshaustrauben (was mir in Langlands den Spitznamen Rüsselkäfer eingebracht hat).
    Tante Glug lebt seit 1967 nicht mehr in Afrika, kleidet sich aber immer noch wie die kenianische Siedlersfrau von damals – Männerkleider, Arbeitsstiefel, rotes Taschentuch im Ärmelaufschlag –, und sie qualmt wie ein Schlot. Die Schachteln mit Fotos und Briefen, die ich unter der Treppe ans Licht hole, riechen nach ihren Zigaretten, aber auch nach Großvaters Pfeifentabak, dem selbst gezogenen und geräucherten Kraut, das er in England in seiner Garage zu trocknen pflegte. Der Geruch nach Rum und Erde ist für mich noch genauso frisch wie die damit verbundene Erinnerung an Großvaters wieherndes, respektloses Lachen.
    Tante Glug hat von ihren Eltern den tiefen Glauben an die heilsame Kraft von Gartenarbeit und Tierhaltung geerbt, und ihre unverkrampfte, urtümliche Art ist durch nichts zu erschüttern. Vor einigen Jahren war sie in Indien, und als sie zurückkam, trug sie einen Salwar Kamiz und aß mit den Händen (der Salwar Kamiz hatte keinen Bestand – unpraktisch im Winter, außerdem setzte sie ihn regelmäßig mit ihren Zigaretten in Brand). Dazu ist sie der einzige Mensch, von dem ich je ein Plädoyer für indische Latrinen gehört habe. »Sehr vernünftig«, sagte sie, »dieses gesunde Hocken.«
    Von meinem Platz in ihrem Wohnzimmer aus scheint sie mir in ihrem Garten etwas ganz Typisches für unsere Sippe zu verkörpern. Ich sehe sie verzerrt durch die alten Glasscheiben der viktorianischen Fenster, unförmig in dem alten Oberhemd und einer um die Hüften geschnürten Kordsamthose meines Großvaters, auf Schritt und Tritt verfolgt von India, über die sie sich hin und wieder beugt, um ihr den Kopf zu tätscheln, und in dem Moment wirkt sie alterslos, geschlechtslos – eine eiserne Macdonald of Clanranald und zugleich ein Produkt Ostafrikas und dieser ganz besonderen Zeit, als noch nicht durch Regeln festgelegt war, wie gut oder schlecht, vernünftig oder verrückt man sich dort als Weißer zu benehmen hatte. »Erzählt mir nichts von gutem Benehmen«, sagt Tante Glug und knurrt wie ein Dachs, »scheiß drauf!« (Angesichts ihrer ganzen Nonkonformität – bis Mitternacht im Garten arbeiten und dabei Spanisch lernen, die Flugbewegungen über Dundee im Auge behalten und dabei stricken und Spanisch lernen – fällt es manchmal nicht leicht zu sagen, wann ihre natürliche Exzentrizität in Bereiche abdriftet, die eher ärztlicher Obhut bedürfen.)
    Kein Macdonald of Clanranald fühlt sich in einem Haus heimisch, in dem es keine Tiere und Geister gibt. Durch Langlands Lodge spukt darum der Geist eines kleinen weißen Hundes (womit beide Fliegen mit einer Klappe geschlagen wären). Meine Cousins wollen ihn nachts die Treppen rauf- und runterschlurren gehört haben, und meiner Großmutter ist er bis zu ihrem Tode im Jahre 1993 mit solcher Beharrlichkeit erschienen, dass sie an seinem Geisterstatus zu zweifeln begann und ihm Milch und Fressen auf den Treppenabsatz

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