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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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stellte.
    Onkel Sandy ist ein zweitausendprozentiger Schotte und Pilot. Er spielt bei sämtlichen Begräbnissen und Hochzeiten in unserer Familie den Dudelsack, ausstaffiert mit der passenden Tracht (allein der Anblick seines Dudelsacks und des Sporrans bringt Mum zum Weinen). Ein Blick auf die Wolken über den Sidlaw Hills, und Onkel Sandy sagt einem, wie nächste Woche das Wetter wird; er berechnet die Windgeschwindigkeit bis auf ein, zwei Knoten und weiß, ohne hinzuschauen, wann die Krähen von den Feldern hereingeflogen kommen, um sich im Wald bei Langlands für die Nacht niederzulassen. Durch seinen Job ist er viel unterwegs, aber wenn er zu Hause ist, belegt er die Küche mit Beschlag und verwandelt sie in eine Dampfkammer, ganz so, als wären die Tupperdosen mit tiefgefrorenem Chili, das frisch gebackene Brot und die Einmachgläser mit Pflaumenmus der Beweis, dass er eigentlich nie wirklich aus Langlands fort ist.
    In diesem knarrenden, spukenden, nach Onkel Sandys Kocherei riechenden Haus, wo in der Küche die BBC in klassischen Hexametern den Seewetterbericht herunterbetet und im Esszimmer die alte Großvateruhr knarrt, als bereite ihr jedes Vorwärtsrücken des Zeigers Schmerzen, sitze ich und halte in Form von zwei Blatt Papier mir bislang Unbekanntes über Großvaters Zeit als Soldat in den Händen. Das erste ist ein Stellungsbefehls-Einverständnis, unterschrieben am 13. Juni 1940: »Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen, Seiner Majestät König Georg dem Sechsten sowie seinen Erben und Nachfolgern treu zu dienen und ihnen bedingungslose Gefolgschaft zu leisten, Seine Majestät sowie seine Erben und Nachfolger treu und nach besten Kräften gegen jeden Feind zu verteidigen und alle Befehle Seiner Majestät, seiner Erben und Nachfolger und der mir vorgesetzten Generäle und Offiziere getreulich zu befolgen. So wahr mir Gotte helfe.«
    Darunter hat mein Großvater seine Unterschrift gesetzt.
    Und darunter steht: »Haben Sie ein Mitteilungsblatt bekommen, auf dem die Verpflichtungen aufgeführt sind, die Sie mit Ihrer Einberufung eingehen?« Daneben in der Handschrift meines Großvaters: »Ja.«
    »Haben Sie sie verstanden und sind Sie bereit, ihnen nachzukommen?«
    »Ja.«
    Der Vater meines Großvaters war Pfarrer der Church of England. »Auf dieser Seite der Familie findest du Bischöfe und Pastoren, so weit die Chroniken zurückreichen«, sagt Mum. »Gelehrte Männer, verstehst du? Nicht solche Missionare und Prediger, denen Gott einen Blitz vom Himmel geschickt und sie mit seinem Geist erfüllt hat – nicht so was Simples. Alle in unserer Familie sind sieben Jahre oder jedenfalls eine halbe Ewigkeit auf die Universität oder was auch immer gegangen und haben da Latein und Griechisch und Hebräisch gelernt. Einer der Huntingford-Bischöfe liegt unter dem Steinfußboden der Kathedrale von Winchester begraben, zumindest liegt da eine Steintafel mit seinem Namen drauf. Er war der Vorsteher des Kollegs. Kein besonders beliebter, soviel ich weiß. Seine Herde – oder wie das bei Bischöfen heißt – soll gegen ihn gemeutert haben.«
    Zur Jahrhundertwende blickte der Vater meines Großvaters auf seine wachsende Familie – drei junge Söhne – und kam zu dem Schluss, dass er sie mit einem englischen Pfarrersgehalt nicht großziehen konnte. Also beschloss er wie so viele andere, die an den Mythos des Füllhorns Ostafrikas glaubten, es in Kenia zu versuchen. »Alle dachten sie, man müsste dort nur hingehen und Kaffee anbauen, aber so einfach, wie es sich anhörte, war das nicht, und mein Großvater hat sich nicht die Bohne für Kaffee interessiert, dazu war er viel zu vergeistigt, zu jenseitig, zu gebildet und akademisch, um mit Landwirtschaft zurechtzukommen, das ging also schief«, sagt Mum. »Später hat er irgendwo eine Kirche gebaut, aber das Ding ist abgebrannt. Und dann wurde auch noch der jüngste seiner Söhne, Tony, so krank.«
    Der wurde in aller Eile nach Eldoret ins Krankenhaus gebracht, doch er starb an einer Sepsis. Er war erst zehn. »Ich glaube, über Tonys Tod ist die Familie nie hinweggekommen. Seine Eltern fielen in tiefe Trauer. Aus Geld oder aus sonst welchen praktischen Dingen haben sie sich nie viel gemacht, aber nach Tonys Tod kehrten sie sich ganz und gar von allem Weltlichen ab.«
    Der älteste Bruder meines Großvaters, Onkel Dicken, wuchs zu einem Sprachwissenschaftler und Anthropologen heran und verfasste das erste Lexikon der Sprache der Nandi. »Er hat zehn Jahre bei den

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