Unter dem Blauen Mond: Die Legende von Falk und Fischer (Dämonenkrieg) (German Edition)
etablierte Kirchen, und es gab immer Ketzer. Manchmal wurden die Ketzer etabliert, nur um es im Gegenzug mit neuen Ketzern zu tun zu bekommen. Lamento lernte, die verschiedenen Zweige des Glaubens als Ablenkung von seinem heiligen Zweck zu betrachten, und widmete sich ihnen mit rein intellektuellem Interesse. Sein Kontrakt bestand mit Gott, nicht mit seinen Priestern. Das Licht konnte viele Reflexionen werfen, doch das Licht war stets am wichtigsten.
Er kannte keine Toleranz für die ketzerischen Praktiken, die seit der langen Nacht im ganzen Land aus dem Boden schossen wie Pilze, und zerstörte heidnische Stätten und alte Steine, wo immer er sie fand. Sie waren eine Ablenkung vom wahren Gott. Lamento machte die Zerstörung keinen Spaß, besonders, wenn klar war, dass die ketzerischen Stätten und Steine den Leuten Trost spendeten, aber er kannte seine Pflicht.
Im Augenblick führte ihn seine Pflicht zur Waldburg.
Die Dämonen des Düsterwaldes hielten mit ihm Schritt, blieben unmittelbar außerhalb des Randes seiner Lichtpfütze und beobachteten ihn hungrig, waren aber ängstlich oder auch vernünftig genug, Abstand zu halten. Sie waren Kreaturen der Dunkelheit und erkannten das Licht, wenn sie es sahen. Lamento war beinahe enttäuscht. Er hätte gern einige Dämonen getötet. Teilweise der Übung wegen, teilweise, damit sie keine Bedrohung für Reisende mehr sein konnten. Aber hauptsächlich, weil jemand, der tief in ihm vergraben war, sich immer noch an die furchtbare Angst erinnerte, als Dämonen vor so vielen Jahren seine Mönchsbrüder zerrissen hatten. Er wusste, dass die Dämonen einst Menschen gewesen waren, aber das hielt ihn nicht zurück. Was ihn betraf, so waren die Dämonen nur wiederbelebte Tote. Sie waren es nicht mehr wert, dass man sie verschonte, als ein Vampir oder Ghul. Sie waren tot, und man sollte sie um ihrer Seele willen zur Ruhe betten. Aber seine Mission hatte Vorrang, und so schritt er schnell zwischen den toten Bäumen dahin und folgte dem engen Pfad, den der legendäre Prinz Rupert vor so vielen Jahren freigehackt hatte. Lamento hätte gerne zu seinem eigenen Trost und seelischen Frieden einige Dämonen getötet, also tat er es nicht, denn er war der Wanderer und musste solche persönlichen Bedürfnisse hinter sich lassen.
Der Wanderer, der Zorn Gottes in der Welt der Menschen, bewegte sich unermüdlich auf die Waldburg und die umgekehrte Kathedrale zu, auf eine letzte, furchtbare Glaubenstat.
Tiffany saß allein in ihrer Unterkunft in der Waldburg, summte eine fröhliche Melodie und flocht ihr flammend rotes Haar vor einem hohen Spiegel. Es war ein schöner, luftiger Raum, klein genug, um gemütlich zu sei, aber dennoch groß genug, um ihrer Stellung in der Burg zu genügen. Solche Dinge wollten gut berechnet sein. Überall standen Blumen in Blumentöpfen. Tiffany mochte Blumen, aber nicht in Vasen. Abgeschnittene Blumen in Glasvasen starben einfach nur langsam, und Tiffany konnte es nicht ertragen, sie schreien zu hören. Die Aromen der Blumen wirkten zusammen und verliehen dem Raum ein erfrischendes, lebendiges Ambiente. Das Bett war gemütlich, und weiche Decken stapelten sich über einer dicken, harten Matratze, aber trotzdem hatte sich Tiffany beim ersten Sonnenstrahl fröhlich daraus aufgeschwungen. Sie verstand die Faulpelze nicht, die lieber weiterschliefen, statt hinauszueilen und zu sehen, welche Wunder der neue Tag bringen würde.
Es half, dass sie erst siebzehn war und so vor Energie sprühte, dass sie nicht wusste, was sie damit anfangen sollte.
Die Dienstboten hatten ihr rein pflanzliches Frühstück wieder vor der Tür stehen gelassen, statt es hereinzubringen. Sie bewunderten die Hexen der Akademie und Tiffany ganz besonders. Das enttäuschte Tiffany etwas, denn sie hatte sich sehr bemüht, dazu zu gehören, aber sie schätzte, dass das mit ihrer Position einherging. Sie merkte, dass ihr Spiegelbild die Stirn runzelte, also lächelte sie schnell, um die Falten zu glätten. Stirnrunzeln führte zu Falten. Ü berdies führte Schlechtes im Inneren zu Schlechtem im Äußeren. Schenke der Welt ein Lächeln, und sie wird zurücklächeln. Sie bürstete ihr langes Haar vehement, entfernte die letzten Knoten des Schlafes und versuchte, nur glückliche Gedanken zu denken. Tiffany gab sich aus Prinzip Mühe, nur das Beste von absolut jedem zu denken – besonders von Leuten, die sie nicht mochte. Jeder trug etwas Gutes in sich. Wenn man nur tief genug bohrte.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher