Unter dem Blauen Mond: Die Legende von Falk und Fischer (Dämonenkrieg) (German Edition)
etwas Böses unterwegs war, aber nicht einmal die fortgeschrittensten und erfahrensten Hexen hatten sagen können, was es war. Sie waren alle ziemlich sicher, dass es etwas mit dem erneuten Auftauchen der umgekehrten Kathedrale zu tun hatte, aber die Hexen, die ihre Sicht an der umgekehrten Kathedrale ausprobiert hatten, hatten ein schreckliches Ende gefunden. Die Glücklichen waren schnell gestorben. Die wenigen Überlebenden lagen in Zwangsjacken in abgeschlossenen Zellen, bluteten unaufhörlich aus ihren Stigmata, schrien, lachten und sprachen in Zungen, die niemand verstand. Die Mutter Hexe hatte Tiffany befohlen, diese armen Unglücklichen zu besuchen, ehe sie sie zur Waldburg hatte gehen lassen, damit sie nicht in Versuchung geriet, es selbst mit der Sicht zu probieren. Sie hatte danach mehr als eine Stunde lang geweint und seitdem nie wieder. Sie konnte stark sein, wenn sie musste. Sie konnte die Präsenz der umgekehrten Kathedrale spüren, wo immer in der Burg sie sich aufhielt. Eine strenge, boshafte Präsenz, wie der endlose Schmerz eines entzündeten Zahns. Sich in die Nähe der umgekehrten Kathedrale zu begeben fühlte sich an, wie in der Anwesenheit von etwas Furchtbarem zu sein, das kurz davor stand, etwas noch Schlimmeres zu gebären.
Tiffany war möglicherweise die mächtigste Hexe, welche die Akademie der Schwestern des Mondes je hervorgebracht hatte. Sie wusste dass, weil ihre Vorgesetzten ihr das seit ihrer ersten Menstruation gesagt hatten, als ihre Magie begonnen hatte, sich zu zeigen. Die Zeichen und Omen, die ihre Geburt begleitet hatten, waren offenbar sehenswert. Darum war sie hier, in der Burg. Weil die Akademie davon überzeugt war, dass sie hier sein sollte. Aber je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr fürchtete Tiffany, sie könne nicht stark genug sein, um es mit was auch immer aufzunehmen, wann immer es auch endlich geschah. Trotz all ihrer Macht hatte sie sich niemals für jemand Besonderen gehalten. Ein Teil von ihr wollte sofort schreiend aus der Burg rennen und zurück in die Geborgenheit der Akademie flüchten, wo sie sich immer sicher und beschützt gefühlt hatte. Wo die alltägliche Welt auf beruhigende Weise absehbar gewesen war, entschieden von denen, die ihr eindeutig überlegen waren. Sie hatte heiße Tränen geweint, als man ihr gesagt hatte, sie müsse die Akademie früher verlassen, weil sie in der Waldburg gebraucht wurde und weil es nichts mehr gab, was man ihr beibringen konnte. Die Welt außerhalb der Akademie war so verwirrend, und sie vermisste ihre Freundinnen. Sie schüttelte den Kopf. Das waren die Gedanken eines Kindes. Sie war jetzt eine erwachsene Frau mit den Verpflichtungen einer solchen, und sie war eine Hexe.
Sie stieß das Fenster auf, streckte das Gesicht in die Morgensonne und sang. Ihre Stimme t önte durch die Stille, ruhig, sicher und schön. Ihre flüssige, strahlende Stimme hob und senkte sich, als sie ein Lied sang, das fast so alt war wie das Waldkönigreich selbst, eine einfache Geschichte über Liebe und Verlust und zurückgewonnene Liebe. Während sie sang, kamen von überall her Vögel, um mit ihr zu singen. Sie kamen aus allen Richtungen angeflogen, einzeln, zu zweit oder in kleinen Schwärmen, fielen aus dem Morgenhimmel, um vor und über und um sie herum durch die Luft zu kreisen und zu tanzen, Dutzende und Aberdutzende von ihnen in allen Größen, Sorten und Farben, und sie fügten ihre Stimmen der ihren hinzu. Das Lied bekam seine eigene Macht und verbreitete sich weiter, als jede Lautstärke es hätte tragen können, bis jeder in der Burg innehielt, um Tiffany und den Vögeln beim Singen zuzuhören, und jeder, der sie hörte, fühlte, wie sein Herz einen Augenblick lang höher schlug, und die Sorgen des Tages schienen jedem ein wenig leichter.
Dann erschreckte etwas die Vögel, und einen Moment später hörten sie alle auf zu singen und flogen fort. Tiffany geriet ins Stocken und hörte dann auf, obwohl das unvollendete Lied noch eine Weile in der Luft nachzuhallen schien. Etwas Neues war in den Wald gekommen. Tiffany spürte es. Sie richtete ihre Sicht auf den Anblick, der sich ihr bot, und der Wald verwandelte sich.
Er war geheimnisvoll und verdorben, und über ihm glühte der zurückgekehrte blaue Mond in der einzigen Farbe, die Augen in der Nacht wahrnehmen können. Seine wilde Boshaftigkeit knisterte in der Finsternis und bewegte sich durch den ganzen Wald, und sein unwiderstehlicher Einfluss veränderte alles. Wilde Magie
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