Unter dem Blauen Mond: Die Legende von Falk und Fischer (Dämonenkrieg) (German Edition)
Vernunft.“
„Das ist mein Beruf. Obwohl ich Falks und Fischers Direktheit oft bewundere. Heute wird es immer schwieriger, ehrliche Antworten von irgendjemandem zu bekommen. Bei so vielen Intrigen, Verschwörungen und streitenden politischen Fraktionen am Hof hat fast jeder etwas zu verbergen, und der Adel weigert sich aus Prinzip, sich befragen zu lassen. Da sie bereits geschworen haben, nichts über den Mord zu wissen, käme eine Befragung dem Zweifel an ihrem Wort und ihrer Ehre gleich. Es reicht schon, dass irgendein zu stolzer Narr erklärt, seine Ehre sei angekratzt und den Befrager zu einem Zweikampf fordert. Nur Gott weiß, wo das enden würde. Besonders, wenn er dumm genug wäre, Falk oder Fischer herauszufordern … und viele der Aristokraten haben es sich angewöhnt, mir in die Augen zu schauen und zu fragen, ob ich dem Thron so treu bin, wie mein Vater es war. Es kommt natürlich darauf an, dass der Erste Ritter stets unbestreitbar loyal war.“
„Du bist nicht dein Vater“, sagte Tiffany, die instinktiv wusste, was er hören musste.
„Nein. Weder als Person noch hinsichtlich der Stellung. Als Quästor soll ich den Wert jeder Seite in einem Streit sehen und meine Entscheidung im Dienste der Wahrheit und Gerechtigkeit fällen. Aber hier ist es so schwierig, die Wahrheit zu sehen, und nachdem Harald tot ist, scheint sich niemand mehr um Gerechtigkeit zu scheren. Alles, was den Leuten wichtig ist, sind ihre eigenen Aufstiegschancen, und zur Hölle mit dem, was das Land möglicherweise brauchen könnte.“
„Also, wem gilt deine Loyalität?“, fragte Tiffany arglos. „Der Königin? Dem Thron? Dem Land?“
„Den Menschen“, sagte Chance. „Die Königin und der Thron mögen fallen, aber die Menschen bleiben. Sie sind das Land. Es ist meine Aufgabe, sie vor allem zu beschützen, was sie bedroht. Ich bewundere die Königin. Ich würde den Thron gerne erhalten. Aber die Zeiten ändern sich, und das Land wird sich mit ihnen ändern müssen. Was ist mit dir, Tiff? Kannst du mir sagen, wem deine Loyalität gilt?“
„Natürlich nicht“, sagte Tiffany. „Ich bin eine Hexe. Wir sollen rätselhafte Wesen sein. Aber ich bin immer meinen Freunden treu.“
Chance und Tiffany grinsten einander an, und einen Moment lang mussten sie gar nichts sagen.
„Alles sehr aufschlussreich“, grummelte Chappie, der sich zu ihren Füßen eingerollt hatte und vorübergehend in Vergessenheit geraten war. „Ich bin jedem treu, der mich füttert. Werdet ihr beide bald Sex haben? Der Moschus, den ihr abscheidet, ist nahezu überwältigend. Das kann euch nicht gut tun, das so aufzuschieben. Was ist los? Warum schaut ihr mich so an? Chance, warum machst du dieses seltsame Geräusch?“
Sir Robert Falke, Schwertmeister, einstiger Held und letzter übriger Landgraf, saß in seinem einfachen, aber behaglichen Quartier am Schreibtisch und las zum zweiten Mal einen Brief. Er hätte bei Hofe sein sollen, aber er war sich ziemlich sicher, dass ungefähr die erste Stunde darauf verwendet werden würde, sich um eine Position zu rangeln, also konnte er es sich leisten, später zu kommen. Wenn vor dem Mittag etwas Wichtiges besprochen würde, wäre das ein Wunder. Jetzt, wo Harald tot war, gab es keine zentrale Autorität mehr, die entschied, wer Vorrang hatte, also versuchte natürlich jeder gleichzeitig zu sprechen, und da aus Angst, schwach zu erscheinen, niemand nachgeben wollte … Robert seufzte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Brief zu.
Es war seine geschiedene Frau, Jennifer, die wie üblich fragte, wo der Wechsel für den Unterhalt dieses Monats blieb. Anscheinend wuchsen seine beiden Kinder wieder aus ihrer Kleidung heraus, und es gab Schulgelder, die bezahlt werden mussten. Komisch, dass es immer seine Kinder waren, wenn Geld gebraucht wurde. Robert versuchte, darüber zu lachen, aber das war schwer. Er hätte Jennifer nie heiraten sollen. Er war nur ein Wächter gewesen, frisch zum Ritter geschlagen und betört von einem hübschen Gesicht. Sie war aus dem niederen Adel, geblendet von der Aussicht, einen Helden aus dem Dämonenkrieg heiraten zu können statt irgendeines reichen Schnösels, den ihr Vater ausgesucht hatte. Im Bett kamen sie gut miteinander zurecht, aber außerhalb war es schwierig, irgendetwas zu finden, über das sie reden konnten. Sie hatten nichts gemeinsam, und ihre Versuche, ihn zu einem echten Adligen zu machen, hatten sie beide zur Raserei getrieben. Schließlich hatte sie ihn
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