Unter dem Blauen Mond: Die Legende von Falk und Fischer (Dämonenkrieg) (German Edition)
verlassen und die beiden Jungen mitgenommen. Robert hatte das nicht wirklich etwas ausgemacht. Er hatte auch mit ihnen nie reden können. Er vermisste keinen von ihnen. Er fand Politik viel reizvoller.
Er war versucht, ihr Schreiben auf die „Kannst-du-vergessen“-Spitze zu stecken. Er konnte immer noch behaupten, ihn nicht bekommen zu haben. Sie schrieb nur, wenn sie Geld brauchte. Wie viel er ihr auch schickte, es war nie genug. Jennifer konnte oder wollte einfach nicht verstehen, dass man Ritter, Grundbesitzer und Höfling und dennoch nicht begütert sein konnte. Oder auch nur annähernd. Das Land in seinem Besitz war arm und ausgelaugt und dazu noch zu dicht bevölkert, und Robert brachte es einfach nicht übers Herz, die grausamen, brutalen Methoden anzuordnen, die nötig waren, alle Steuern einzutreiben, die noch ausstanden. Er wusste, die Zeiten waren für jeden hart. Er hatte schon zwei Hypotheken auf das Land aufgenommen, bei Banken, die weit genug weg waren, dass sie noch nicht gehört hatten, was für ein großes Risiko das war. Natürlich hätte er reich sein können , wenn er nur die Hälfte der Bestechungsgelder angenommen hätte, die ihm jeden Tag für diesen oder jenen politischen Gefallen angeboten wurden, aber Robert hatte immer noch seinen Stolz und ein bisschen Ehre übrig, wie angeschlagen auch immer. Er nahm vielleicht hin und wieder ein Entgelt an, Geld für einen Ratschlag oder das Vorstellen einer Person, aber nur, wenn er einigermaßen sicher war, dass daraus nichts erwachsen würde. Robert seufzte schwer und ließ den Brief auf den Tisch fallen. Er würde ihr später schreiben, etwas schicken. Für die Jungs.
Robert zog eine Schublade seines Schreibtischs auf, schloss das Geheimfach auf und nahm eine Flasche mit graublauen Pillen heraus. Er schüttete zwei in seine Hand und spülte sie mit einem Schluck Wein hinunter. Nur ein kleines Etwas, um einem erschöpften Mann einen Schub zu verleihen. Um seine Gedanken beisammen zu halten. Ihn wachzuhalten. Er atmete tief ein, als der Rausch ihn traf, ihn wach und wachsam machte wie ein Eimer kaltes Wasser im Gesicht. Sein Herz hämmerte schmerzhaft in der Brust, und seine Finger kribbelten. Er fühlte sich, als könne er es mit jedem aufnehmen. Es hatte eine Zeit gegeben, als er keine Arzneien gebraucht hatte, um sich so zu fühlen. Aber damals war er jünger gewesen, in seinen besten Jahren. Jetzt war er … nicht alt, nein, nicht alt. Nur nicht mehr so jung. Also nahm er hin und wieder eine Pille, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Jeder musste sich auf irgendetwas stützen.
P ünktlich ertönte ein gesittetes Klopfen an seiner Tür, und Sir Robert rief seinen Besuchern zu einzutreten. Die Tür schwang auf, und herein kamen sie, die drei elenden Kreaturen, mit denen er momentan zu arbeiten gezwungen war. Schon in guten Zeiten schuf die Politik merkwürdige Gespanne, und wenn man mit schwachen Karten spielte, dann musste man jede Unterstützung annehmen, die man bekommen konnte. Sir Robert grinste und verbeugte sich, ohne aufzustehen, und jeder murmelte eine höfliche Begrüßung. Sir Robert winkte in Richtung der Stühle, die er für seine Gäste aufgestellt hatte, und sah höhnisch zu, als sie sich hinsetzten und sich alle Mühe gaben, entspannt auszusehen. Niemand hier war sein Freund, aber sie konnten einander alle nützlich sein, also gaben sie es vor.
Sir Morrison und Fürstin Esther repräsentierten, was von den Interessen von Gold und Silber im Wald noch übrig war. Einst waren sie große Mächte im Land gewesen, aber das war vorbei, und jeder außer Gold und Silber wusste es. Sir Robert als Landgraf vertrat sie bei Hofe, was bedeutete, dass er von Zeit zu Zeit Anweisungen von seinen vermeintlichen Vorgesetzten entgegennehmen musste. Sir Morrison war groß, schlank, stets in förmliches Schwarz gekleidet, hatte einen rasierten Schädel und einen bleistiftdünnen Schnurrbart. Er war ruhig, gebildet und bei Gelegenheit zu trockenem Humor fähig, sah die demokratische Reform als Weg zurück zur Macht und war gut darauf vorbereitet, absolut jeden niederzutrampeln, der ihm in den Weg kam.
Fürstin Esther war eine kleine, fast zwergenhafte Frau, die sich gut, aber sorglos anzog und viel zu stark geschminkt war. Ihr langes, dunkles Haar war auf ihrem Kopf zu einer komplizierten Frisur aufgetürmt, die von silbernen Kämmen und Haarnadeln zusammengehalten wurde. Fürstin Esther war kalt, egoistisch und immer direkt. Hartherzig und ohne
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