Unter dem Deich
unten reingepackt hat, dann legt man einfach einen Deckel drauf und kann den Zweiten ein paar Tage später obendrauf stellen, ohne das Grab erst zuschaufeln und anschließend wieder ausheben zu müssen.«
»In Rotterdam kriegt man so ein Mietgrab dritter Klasse meistens an einem Tag voll«, sagte Hellenbroek.
»Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte mein Vater, »und ein Mietgrab zweiter Klasse kann man bestimmt auch offen liegen lassen.«
»Ja, ja«, sagte Hellenbroek.
»Aber hier dauert es manchmal einen Monat oder länger, bis man drei Leute für ein Mietgrab zweiter Klasse zusammen hat. Also muss man es nach jeder Beerdigung wieder ganz zuschaufeln. De Pagter wird nun auf Neeltje Tilbaard draufgelegt, und die habe ich erst vorige Woche begraben. Wenn ich das gewusst hätte! Wie man hört, geht es mit Gert Hofland auch zu Ende. Und der will bestimmt auch ein Mietgrab zweiter Klasse. Nach de Pagter lass ich die Grube schön offen.«
»Merkwürdige Probleme auf so einem kleinen Friedhof«, sagte Hellenbroek, »so was bin ich nicht gewohnt.«
»Dann hättest du eben in Rotterdam bleiben müssen«, sagte mein Vater.
Hellenbroek grinste breit. »Ja, ja«, sagte er, »aber in der Stadt ist das Bestatten zu einer Industrie geworden, da bahrt man die Toten herzlos in einer Leichenhalle auf, während hier die Verstorbenen noch zu Hause bleiben dürfen und das Begräbnis etwas Gemütliches hat. In Rotterdam macht man bei einer Beerdigung nur das Nötigste, und hier werden die Verstorbenen noch mit Honig begraben.«
»Vom fleißigen Bienchen Hellenbroek«, sagte mein Vater.
De Pagter wurde am Freitagnachmittag beerdigt. In der Nacht von Sonntag auf Montag verstarb, bei abgehendem Wasser, Gert Hofland. Er sollte, so berichtete uns Bestatter Bergwerff am Montagabend, am Mittwochnachmittag beerdigt werden.
»Was soll es werden?«, fragte mein Vater.
»Mietgrab zweiter Klasse«, brummte der mürrische Bergwerff.
»Zum Glück«, sagte mein Vater.
Als er jedoch am Mittwochmorgen den Deckel vom Mietgrab schob, sah er sofort, dass nach dem Freitag bereits jemand den Deckel abgenommen haben musste.
»Da hatte jemand die Flossen an meinem Grab«, sagte mein Vater beim Mittagessen.
»Woher weißt du das so genau?«, fragte meine Mutter.
»Da waren kleine Wälle, die ich nicht gemacht habe.«
»Bist du sicher?«
»Ja, natürlich, ich mache die beiden Wälle immer mit der alten Blechkuchendose, die ich noch aus dem Laden meines Vaters geerbt habe. Damit kann man die schönsten Wälle machen. Die müssen nämlich sehr stabil sein, weil sie sonst sofort in sich zusammensacken, wenn man den Sarg draufstellt, und dann muss man eine Stunde schuften, um die Drahtseile der Absenkvorrichtung wieder darunter hervorzubuddeln. Aber mit meinen Kuchendosendämmen bleibt der Sarg immer ein paar Zentimeter über der Sohle frei stehen, und man kann die Drähte ganz einfach hochziehen.«
»Ja, ja, das weiß ich«, sagte meine Mutter, »aber es hat seit Freitag ständig geregnet. Wenn Wasser in das Grab geflossen ist, könnten dadurch die Wälle doch …«
»Auf keinen Fall«, sagte mein Vater, »die Wälle hat irgendwer mit der Hand gemacht. Man konnte noch die Abdrücke von der Handfläche erkennen. Aber wer macht sich an meinen Wällen zu schaffen? Ich werde ums Verrecken nicht schlau daraus.«
Wir vergaßen die erneuerten Wälle. Mein Vater begrub pro Woche zwei bis drei Sluiser. Bergwerff »hatte« die meisten; Joh. J. Verhey, der reformierte Bestatter, »hatte« alle vierzehn Tage einen, und der vornehme Bestatter von über dem Deich, Coen Rijke, »hatte« meist einen pro Monat. Hellenbroek bestattete einen Nichtkirchlichen und machte damit ein Mietgrab dritter Klasse komplett. Wir vergaßen ihn beinahe, wir konnten abends wieder in Ruhe essen. Erst zwei Monate nach de Pagter stand er erneut während des Abendessens vor der Tür. Es war ein Montagabend. Wieder schüttelte er uns allen an diesem Montag ausführlich die Hand, und nach der Bibellesung und dem Dankgebet sagte er: »Ich habe zwei auf einmal.«
»Das passt sehr gut«, erwiderte mein Vater, »ich habe vorige Woche ein Mietgrab dritter Klasse geschaufelt, und da liegt jetzt einer drin. Deine zwei passen also wunderbar obendrauf. Dann ist das Grab noch vor Samstag voll.«
»Tja, der eine ist allerdings ein Mietgrab zweiter Klasse.«
»Verflixt«, sagte mein Vater, »dann muss ich diese Woche noch ein Mietgrab zweiter Klasse buddeln und wieder
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