Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
Alexanders Brust in ihrem Rücken tröstete ungemein. Anna seufzte, schloss die Augen und lehnte sich zurück. Sie war furchtbar müde, noch nie hatte sie sich derart entkräftet und angeschlagen gefühlt. Eine Stunde …
»Nicht runterrutschen.« Alexanders Stimme ließ sie zusammenfahren. »Halt dich gut fest, Anna. Erin hat es verdammt eilig.«
Gott, sie war so müde, wahrscheinlich wäre sie sogar auf dem schaukelnden Rücken des Pferdes eingeschlafen. Dann hätte sie ihre Angst einfach verschlafen. »Keine Sorge, ich falle schon nicht runter.« Trotzdem umfasste sie vorsichtshalber den Sattelknauf. Gerade rechtzeitig, denn der muskulöse Hengst machte in diesem Augenblick einen mächtigen Satz über einen dicken Baumstamm, der ihnen im Weg lag. Alexanders Arm schloss sich fest um ihre Taille. Mit der rechten Hand hielt er problemlos Fackel und Zügel.
»Nicht mehr lange, dann haben wir es geschafft«, raunte er ihr ins Ohr. »Dann kannst du dich ausruhen.«
Wie machte er das nur? Er saß sicher nicht das erste Mal auf dem Rücken eines Pferdes, folgte mühelos dem schmalen Pfad, der sich durch den Wald schlängelte. Sie richtete sich auf, die Hand fest am Sattel. »Ich falle schon nicht.«
»Schon gut. Du musst mir nichts vormachen. Du bist am Ende deiner Kräfte. Ob es dir gefällt oder nicht, solange wir unterwegs sind, passe ich auf dich auf. Schließlich hast du mir den Schlamassel zu verdanken.«
Also gut. Er durfte auf sie aufpassen. Außerdem musste sie zugeben, unangenehm war seine körperliche Nähe nicht. Eine Stunde noch …
Die sattelfeste Amazone schlängelte sich durch das dichte Unterholz, so schnell es ging. Naomi hing leblos vor Erin, nur das Seil und der feste Griff ihrer Schwester bewahrten sie vorm Herunterfallen. Die Fackel tanzte im Rhythmus des trabenden Pferdes auf und ab, warf unheimliche Schatten in den rasch dunkler werdenden Wald.
Ob Glenn Kyra bereits erreicht hatte? Ob die Magierin oder der Fenriswolf bereits ihre Spur aufgenommen hatten? Furcht ergriff Anna. Um sich Mut zu machen, summte sie leise. Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar. Mama hatte es ihr vorgesungen, wenn sie nicht schlafen konnte oder schlecht geträumt hatte. Der Wald steht schwarz und schweiget … Auf einmal hatte das Lied seine beruhigende Wirkung verloren. Inzwischen war es richtig dunkel. Der Mond ist aufgegangen … Wenn es nur nicht so finster wäre. Die zwei Fackeln spendeten eindeutig nicht genug Licht. Was sich im Schatten der Bäume verbarg, blieb unsichtbar. Jeder konnte sich ohne Weiteres verstecken, anschleichen, sie angreifen. Glenn, der Wolf, Kyra …
Mit einem Mal spürte sie eine Bewegung in ihrem Rücken. Alexander rutschte unruhig im Sattel hin und her.
»Hast du das auch gesehen?«, hörte sie seine Stimme hinter sich. Sie spähte angestrengt ins Unterholz. Zu dunkel, da war nichts zu sehen. Oder doch? Dunkle Schatten tanzten körperlos zwischen den Bäumen.
»Was? Nein, da ist nichts.« Hoffentlich.
»Das bunte Licht?«
»Nein, da ist nichts, Alexander.« Langsam machte er sie nervös. Anna drehte vorsichtig ihren Kopf, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, als ihr Pferd plötzlich stehen blieb. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich im Sattel zu halten.
»Die Pixie?« Erins Stimme klang eine Spur zu gleichgültig. »Alexander, hast du die Pixie gesehen? Rechts von uns, das Leuchten?«
Alexander nickte langsam. »Was will sie hier?«
»Uns warnen, dich warnen. Sie gehört zu dir, Alex. Schnell.« Erin riss die Zügel herum und gab ihrem Pferd die Sporen. »Folgt mir!«
Seite an Seite tauchten die zwei Pferde zwischen moosbewachsenen Findlingen und knorrigen Bäumen ins Unterholz. Keine Sekunde zu früh. Ein riesiger silbergrauer Schatten löste sich aus dem nachtschwarzen Wald und hielt auf sie zu. Anna erstarrte. Ihr Mund war staubtrocken. Der Wolf, der Fenris! Er hatte sie gefunden. Alexanders Griff um ihre Taille verstärkte sich, raubte ihr den Atem.
»Folgt mir«, wiederholte Erin gehetzt. »Wir müssen so schnell wie möglich aus dem Wald raus. Es ist nicht mehr weit.«
Noch während sie ihr Pferd antrieb, schleuderte Erin dem Wolf eine leuchtende Kugel entgegen, die sie mit der Fackel in der Hand entzündet hatte. Das sich verdichtende Unterholz erschwerte das Vorankommen, behinderte gleichzeitig aber auch den mächtigen Wolf.
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