Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
gesagt, Noah, habe ich lange nicht so viel und gut gegessen, wie in den vergangenen Tagen.«
Noah sah ihn an und nickte nachdenklich. »Ich weiß, Alexander«, erwiderte er leise. »Ich bin dankbar dafür, dass es uns gut geht. Doch auch hier gibt es Gut und Böse, wie du bereits am eigenen Leib erfahren hast. Da ist es egal, wo man sich gerade befindet.«
»Aber jetzt«, meldete sich Nico zu Wort. Seine Stimme klang gepresst vor lauter Verzweiflung. Er gab sich nicht einmal Mühe, die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. »Jetzt wartet sie doch wieder auf dich.« Er schniefte laut. »Deine Mutter, meine ich.«
Ein Lächeln umspielte Alexanders Mundwinkel. »Nein, Nico.« Er erhob sich langsam, zog das Hemd wieder über, setzte sich neben ihn und hielt kurz inne. »Sie wusste, dass es eine Weile dauern könnte, bis ich zurückkehre, weil ich auf der Suche nach …«, Alexander schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Sie wusste von meinen Träumen, wir haben lange darüber gesprochen.« Er fuhr durch die wirren Haare des Jungen. »Meine Mutter ist eine außergewöhnliche Frau, so wie deine, Nico. Sie hat mir nicht nur Glauben geschenkt, als ich ihr von meinen Träumen erzählt habe, sie hat mich geradezu fortgeschickt, um zu finden, was ich suche. Noah, ich glaube, sie hat es auch sehen können.«
Noah zog überrascht die Brauen in die Höhe.
»Nicht immer, meine ich. Nur einmal, genau gesagt. Es war ganz merkwürdig. Wir haben abends zusammengesessen. Mutter, Lisa und ich. Plötzlich konnte ich sie sehen, die Drachen und anderen fremden Kreaturen … Ich muss wohl irgendwie ins Leere geblickt haben. Mutter hat mit mir gesprochen und ich habe sie nicht gehört. Sie hat ihre Hand auf meinen Arm gelegt und in dem Augenblick konnte sie es auch sehen. Sie war richtig erschrocken. Es war eine kurze Begegnung, und als der Traum mich wieder verlassen hat, da saß Mutter mir mit großen Augen gegenüber.« Alexanders eben noch blasses Gesicht hatte vor lauter Aufregung einen kräftigen Rotton angenommen. »Ist das möglich?«
»Das, Alexander, ist nicht nur möglich, es ist eine Tatsache. Deine Mutter hat aus dem gleichen Grund hierher sehen können, wie Anna mit dir rübergekommen ist.«
Alexanders Kopf fuhr gleichzeitig mit Annas herum. Es war Richard, der seine Frage beantwortet hatte. Der weißblonde, drahtige Mann stand hinter dem Zaun der Pferdekoppel und betrachtete sie. Erstaunlich geschickt kletterte er über das Gatter, stellte sich vor Anna und reichte ihr die Hand.
»Herzlich willkommen, Anna. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Richard, das Familienoberhaupt, sozusagen.« Die schmalen, blassblauen Augen blitzten. Er setzte sich neben Alexander und verschränkte die Arme vor der Brust. »Jedem, der mit jemandem, der hierher sehen kann, physischen Kontakt hat, ist es möglich, mit auf die Reise zu gehen.«
Anna betrachtete ihn. Weisheit und Scharfsinn, gepaart mit einer guten Portion Humor blickten sie an. Sie räusperte sich. Ob Noah und Erin wohl wussten, wie gut sie es hatten? Sie kannte diese Menschen wirklich noch nicht lange, doch sie besaßen all das, was sie, und wie sie eben erfahren hatte, auch Alexander, entbehren mussten. Sie wich seinem scharfen Blick aus und versuchte, die erneut aufkeimenden Tränen mit einem schiefen Lächeln zu vertuschen.
»Ob sie mir deshalb geglaubt hat?«, hörte sie Alexander neben sich. »Weil sie es auch sehen konnte? Sie hat mir geraten, mein Glück zu finden, bevor ich aufgebrochen bin. Was immer sie damit gemeint hat. Und nun bin ich hier und habe die beiden Menschen, die mir noch geblieben sind, allein zurückgelassen.«
Kapitel 14
Zwerge
» A lso gut, Edmund. Du bist ein, was?«, fragte Anna.
Die Hand des athletischen, jungen Mannes ruhte auf Naomis schmaler rechten, die unter der großen Pranke beinahe ganz verschwand. Überhaupt war er mindestens einen Kopf größer als seine Freundin und seine dunkelbraunen Haare bildeten einen scharfen Kontrast zu ihrem flachsblonden Pferdeschwanz. Anna schmunzelte. Wer hätte das gedacht? Bridgets Fürsorge war nicht der einzige Grund, warum Naomi die Flucht ergriffen hatte. Der junge Mann an ihrer Seite hatte mindestens genauso viel damit zu tun. Anna nahm einen ordentlichen Zug des köstlichen Weins, den Noah heute Abend spendiert hatte. Konnte es sein, dass sie sich schon über zwei Wochen in Silvanubis befanden? Inzwischen gingen sie im Haus der ungewöhnlichen Gastfamilie ein und aus, waren Teil
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