Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
sich ungebetene Gäste vom Hals zu halten. Sie muss die Dolchpalme im Unterholz versteckt haben. Nähert man sich diesem Gestrüpp auf Armlänge, so schnellen die giftigen Blätter hervor. Diese Pflanze wächst normalerweise nur auf offenem Gelände. Das war kein Zufall, da bin ich mir sicher.« Erins Augen verengten sich. »Edmund ist schließlich besorgt zu uns nach Hause geritten, nachdem er am vereinbarten Treffpunkt vergeblich gewartet hat. Mama war fuchsteufelswild. Sie hat natürlich Ed die Schuld am Verschwinden ihrer Tochter gegeben. Papa hat vergeblich versucht, sie zu beruhigen, sodass Edmund schließlich die Flucht ergriffen hat und seitdem ebenfalls bei Noah wohnt.« Sie grinste ihre Schwester an. »Wenn das Mama wüsste, Schwesterherz.«
Sie wandte sich wieder an Anna. »Dabei könnte alles so einfach sein. Bei den Kriegern Silvanubis’ ist das doch auch kein Problem. Hier stehen Najaden und Okeaniden Seite an Seite und helfen dort, wo sie gebraucht werden.«
Anna massierte ihre Schläfen. »Die Krieger Silvanubis’?«
Erin nickte eifrig. »Wenn man zwanzig wird, steht es einem frei, sich zu melden. Du glaubst nicht, wie viele Krieger es gibt. Wir gehören auch alle dazu. Trotz der strapaziösen Ausbildung ist Krieger wohl nicht das richtige Wort. Es handelt sich vielmehr um eine riesige Gruppe von Freiwilligen, die je nach Talent zu bestimmten Einsätzen eingeladen werden. Man kann die Einladung annehmen oder auch nicht. Ehrlich gesagt, ich habe noch nie so viele auf einen Haufen gesehen wie in den vergangenen Tagen. Najaden und Okeaniden übrigens. Wenn nur das Nebeneinander auch sonst so reibungslos klappen würde. Glaubt mir, Naomi und Edmund sind nicht die Einzigen, die sich heimlich treffen. Mama und Papa werden sich mit der Zeit damit abfinden. Wenn sie Ed erst richtig kennengelernt haben, werden ihnen die Argumente ausgehen. Doch natürlich wurde mit Naomis Verschwinden wieder kräftig Öl ins Feuer gegossen.«
Anna schüttelte den Kopf. Manchmal ertappte sie sich dabei, dass sie darauf wartete, aufzuwachen. Vielleicht träumte sie ja einen besonders langen und komplizierten Traum?
»In ein paar Tagen werde ich meinen Eltern Edmund vorstellen.« Naomis Augen blitzten gefährlich. »Und wenn Mama meint …«
Weiter kam sie nicht. Klirrend zerbarst die Fensterscheibe neben der Haustür. Das Weinglas entglitt Annas Hand. In der roten Pfütze mischten sich Scherben mit Splittern des Fensterglases. Aus den Augenwinkeln nahm sie durch die geborstene Scheibe eine Handvoll gedrungener Gestalten wahr. Etwas schoss an ihr vorbei und plötzlich füllte Rauch das kleine Zimmer. Sie hustete, blinzelte. Jemand zog sie am Arm, riss sie zur Seite. Sie verlor den Boden unter den Füßen, stürzte und schlug hart im Dunkeln auf. Alexander folgte und stolperte fluchend über ihre Beine.
»Bleibt dort! Lasst die Tür geschlossen.«
Noahs Stimme über ihnen ließ keinen Widerspruch zu. Eine flackernde Kerze wurde zu ihnen heruntergereicht. Kaum umschlossen Annas bebende Hände das flammende Licht, fiel über ihr eine Klappe krachend zu.
Alexander nahm ihr die Kerze aus der Hand und stellte sie auf den Boden. Ungläubig betrachtete er die geschlossene Falltür über sich. »Alles in Ordnung?«
Anna rieb sich den Rücken. Jemand hatte sie eine Leiter hinuntergestoßen. Der Kerzenschein erhellte problemlos jeden Winkel des engen Verstecks. Die Decke war niedrig. So niedrig, dass Anna sich nicht einmal ganz aufrichten konnte. Wenn sie sich anstrengte und ihre Arme ausbreitete, konnte sie mit beiden Händen je eine Wand erreichen. Ein Loch. Sie befanden sich in einem dunklen, finsteren Loch. Über ihnen zerbarst erneut Glas, etwas krachte zu Boden. Stimmen, Rufe, Chaos. Ihre Hand legte sich um eine Leitersprosse. Hier konnte sie nicht bleiben, nicht bei Kerzenlicht in diesem winzigen Kellerraum. Sie wollte in gar keinem Keller bleiben und darauf warten, dass das Chaos über ihr verstummte. Nie wieder! Luft, sie brauchte Luft. Schwankend setzte sie den rechten Fuß auf die unterste Sprosse.
»Anna! Nein!« Alexanders Hand umschloss ihre, zog sie sanft zurück. »Komm, setz dich zu mir. Keine Angst, ich bin bei dir.«
Eine eiserne Klaue umschloss ihr Herz. Sie konnte nicht atmen. Keuchend versuchte sie, Luft zu holen. Sie tastete zitternd über den feuchten Boden. Lehm. Erde. Sie spürte seine Hand auf ihrem Rücken.
»Bitte. Hab keine Angst.«
Sie legte den Kopf auf die angezogenen Knie und schloss die
Weitere Kostenlose Bücher