Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
zu treffen, und Noah besaß eine Unmenge dieser außergewöhnlichen Freunde. Wer weiß, wahrscheinlich hatte er Alexander schon einigen seiner Gefährten persönlich vorgestellt. Soweit das möglich war in der begrenzten Umgebung, in der sie sich bewegen konnten. Nach dem Angriff der Zwerge vor einer Woche hatte Richard die Anzahl der Wachen beinahe verdoppelt. An den Anblick der Drachen, die immer wieder über dem Haus ihre Kreise zogen, hatte sie sich schon fast gewöhnt. Trotzdem, ihr Interesse an den Furcht einflößenden Bewohnern Silvanubis’ hielt sich in Grenzen. Daher hatte sie Bridgets Angebot, in ihrem Garten zu helfen, dankbar angenommen. Die Hausherrin freute sich diebisch, sie eigenhändig und umgehend in die Geheimnisse ihrer Kräuter und Pflanzen einzuweihen. Ganz nebenbei erfuhr Anna einiges über diese geheimnisvolle Welt, die sie zwangsläufig und vor allem vorübergehend ihr Zuhause nannte. Im Gegenzug erzählte ihr Anna von der alten Welt, wie ihre bisherige Heimat hier genannt wurde. Gestern zum Beispiel hatten sie eine lange Unterhaltung über Lampen, Lichtschalter und Radios geführt. Bridget war fasziniert von der Vorstellung, dass es möglich war, einen Schalter umzulegen und einen Raum mit Lampen, jenen geheimnisvollen Lichtspendern, zu erhellen. Anna hatte festgestellt, dass es ihr nicht besonders schwerfiel, darauf zu verzichten. Keine Lampen, keine Autos, kein Radio, kein Strom.
Anna griff nach einem Stück Brot sowie Käse und biss herzhaft zu. Inzwischen fühlte sie sich nicht mehr bei jedem Krümel schuldig und genoss das reichhaltige Essen. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, wenigstens etwas davon mit hinüberzunehmen.
»Schmeckt großartig, Bridget«, murmelte sie mit vollem Mund. »Danke.«
»Nicht der Rede wert, Kleines. Ich bin froh, dass es dir schmeckt. Wenn wir hier fertig sind, würde ich dir gern meine Kräuterkammer zeigen, sofern du magst.«
Anna spitzte die Ohren. Darauf hatte sie insgeheim schon lange gewartet. Liebend gern würde sie sich dort einmal umsehen. Außerdem genoss sie Bridgets unkompliziertes Wesen. In Gegenwart dieser Frau schien es einfach keine schlechte Laune, Probleme oder Gefahren zu geben und so nickte Anna, während sie kaute und schluckte. »Und ob ich mag. Aber nicht zu lange, wir wollen heute Abend noch bei Noah und Naomi vorbeisehen.«
»Kein Problem, Anna. Im Gegenteil, das trifft sich gut. Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich dir gern einige Kleinigkeiten für meine älteste Tochter mitgeben.«
Anna verkniff sich mit Mühe ein Grinsen. Diese Kleinigkeiten kannte sie. Letztes Mal hatte Bridget sechs Satteltaschen vollgestopft mit Essen, Teemischungen, Stoffen, Büchern und einem Haufen unnützem Plunder. Anna vertilgte den letzten Krümel des deftigen Hackbratens, trank einen Schluck Wasser, das Bridget frisch aus dem Brunnen, dem zentralen Punkt des Gemüsegartens, geschöpft hatte, und sah sich um. In einiger Entfernung konnte sie die große Scheune sehen, in der etwa fünfzehn Pferde sowie einige Kühe und Schafe untergebracht waren. Gestern hatte sich Edmund heimlich zu ihrem morgendlichen Treffen auf der Weide gesellt. Es war unübersehbar, wie sehr Naomi und der unkomplizierte Okeanid aneinander hingen. Wie dumm, dass sich die beiden Völker nicht gemeinsam an Silvanubis erfreuen konnten. Denn trotz der Gefahren, der unheimlichen magischen Geschöpfe, trotz Zwergen, Kyra und dunkler Magie begann es ihr hier zu gefallen. Silvanubis war anders. Unberührt, rein, wild und natürlich. Außerdem abgelegen, unwirtlich und gefährlich. Sie schüttelte den Kopf, und vor allem nicht ihr Zuhause.
»Anna, Anna!«
Sie fuhr zusammen. »Was? Entschuldige bitte, Bridget.«
Die resolute Frau hatte sich erhoben und wartete darauf, die Arbeit im Gemüsegarten fortzusetzen. Bridgets Augen verengten sich zu winzigen Schlitzen, als sie Anna zulächelte. »Darf ich wissen, wo genau deine Gedanken waren?«
Eigentlich nicht. Dann stand auch sie auf. Warum eigentlich nicht? »Bei den Najaden und Okeaniden, wenn du es genau wissen willst.«
Bridgets Blick verfinsterte sich. »Ach so.« Sie schob sich an Anna vorbei, doch so leicht kam sie ihr nicht davon.
»Kannst du mir das erklären, Bridget?«
Es war das erste Mal, dass ihre mütterliche Freundin sie nicht wohlwollend ansah. Sie setzte den Korb ein wenig zu heftig zurück auf den Boden und drehte sich langsam zu Anna um. »Was erklären?«
»Warum sich die beiden Völker nicht mögen, sich aus
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