Unter dem Feuer - Silvanubis #1 (German Edition)
umschloss ihr Gesicht sanft mit seinen Händen und erzwang ihren Blick. »Anna hat eine Phönixfeder erhalten. Weißt du, wie lange es her ist, dass jemand zu dieser Ehre gekommen ist?«
Naomi schüttelte missmutig den Kopf. »Es interessiert mich auch nicht.«
»Es ist verdammt lange her«, fuhr Edmund beharrlich fort. »Bei Alexander bin ich mir eigentlich sicher. Doch ich glaube, auch Anna wird zurückkommen. Nun erst recht.«
Anna runzelte die Stirn. Nun erst recht . Noch einer, der anscheinend genau wusste, was sie wollte.
Inzwischen hielt es das Familienoberhaupt nicht mehr auf dem Stuhl. Hin- und hergerissen zwischen Sorge und schlechtem Gewissen hatte sich Richard erhoben und schritt unruhig im Zimmer auf und ab. Tief in Gedanken versunken und mit sich ringend, merkte er nicht einmal, dass Bridget, ein randvolles Tablett vor sich her jonglierend, zurückgekehrt war. Sie setzte es temperamentvoll auf dem Tisch ab, beobachtete ihren Mann eine Weile und stellte sich ihm schließlich in den Weg.
»Du machst mich ganz schwindlig. Wozu denn die ganze Aufregung? Natürlich wird Edmund Anna und Alexander hinüberbringen und nach Ablauf der neunzig Tage auch wohlbehalten wieder zurück. Es sind schließlich nicht einmal mehr siebzig Tage übrig. Das schaffst du schon, mein Kind.« Sie lachte Naomi unbekümmert zu. »Du möchtest doch nicht, dass sie sich bei ihrer Rückkehr verirren oder dass ihnen etwas zustößt, nicht wahr?«
Naomi nahm ihre Mutter erbost ins Visier. Das war mal wieder typisch. Trotz ihrer freundlichen, unbeschwerten Art stand klipp und klar fest, dass es nicht einmal einen winzig kleinen Raum für Widerspruch oder Zweifel gab. Bridget war nicht nur überzeugt, dass Edmund mit hinüberging, sondern auch, dass sowohl Alexander als auch Anna selbstredend gemeinsam mit ihm zurückkehren würden.
»Fragt mich eigentlich keiner hier?« Anna fand, es war höchste Zeit, sich zu Wort zu melden.
»Oder mich.«
Alexander, richtig, ihn ging das auch etwas an.
Doch Bridget ließ auch hier keinen Zweifel aufkommen. Sie stellte sich hinter Alexander und legte ihre rechte Hand auf seine Schulter. »Du wusstest es doch von Anfang an, oder?«
Alexander nickte betreten. »Es ist, als ob«, er hielt inne, suchte nach den richtigen Worten, »als ob ich nach Hause gekommen bin. Ich denke … ich gehöre hierher.«
Bridget machte zwei Schritte zur Seite und blieb nun hinter Anna stehen. »Was dich betrifft, mein Kind. Im Grunde genommen weißt auch du, wo du hingehörst. Doch tu dir den Gefallen, geh zurück und dann entscheide. Ganz allein. Niemand will dir reinreden.«
Anna zuckte zusammen. Genau das war es, was ihr so sehr missfiel. Viel zu oft schon hatten andere für sie entschieden. Langsam drehte sie sich um und blickte in Bridgets fröhliche Augen. Sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals bei ihr darüber beschwert zu haben. Kannte diese kluge Frau sie besser, als sie dachte?
»Was wäre …«, Anna zögerte. »Nur mal angenommen … können wir uns nicht einfach für die nächsten neunundsechzig Tage irgendwo verstecken? Danach sind wir doch für Kyra sozusagen uninteressant geworden.« Was redete sie da für einen Unsinn? Hierbleiben … Die Worte waren ihr rausgerutscht, ohne dass sie darüber nachgedacht hatte.
»Zu gefährlich, Anna«, ergriff Richard das Wort. »Sie wird euch finden, egal, wo ihr euch versteckt. Es ist einfach zu riskant. Zu viel steht auf dem Spiel. Doch ich hoffe wirklich, dass ihr zurückkehrt, sobald wie möglich.«
»Die Feder bewahre ich gern für dich auf, Anna«, brach Bridget hüstelnd das Schweigen.
Enttäuschung machte sich in Anna breit. »Kann ich sie nicht mitnehmen? Wenn es wirklich so ist, wie ihr sagt, dann kann ich die Feder drüben vielleicht gut gebrauchen.«
Bridget schüttelte bekümmert ihre roten Locken. »Das geht leider nicht, Anna. Im Gegenteil, mit der Feder kannst du überhaupt nicht zurückkehren, sie wird es dir unmöglich machen, die Passage auch nur zu betreten.«
Anna schwieg und dachte nach. Das war alles viel komplizierter, als sie sich hätte träumen lassen. Richard hatte recht, sie mussten, zumindest vorübergehend, zurückgehen. Und so sehr es sie auch ärgerte, sie verstand Alexander. Es war, als wäre auch sie nach Hause gekommen. Ihr gefiel es wirklich hier. Dass ihre Zukunft nicht im Sonneneck lag, wusste sie schon lange. Sie hatte es gefühlt, noch bevor sie vor Wochen zum Hamstern aufgebrochen war, noch ehe sie mit
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