Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Politmagazine, in denen der Nahe Osten mitspielt. Bloß keine Aufregung in diesem Zustand. Stattdessen ganz viel Zuwendung, ganz viel Ruhe und ganz viel Spaghetti bolognese mit einer sehr großen Portion Parmesan und einer sehr kleinen Portion Gurkensalat.
Und so hatte ich mir das nicht vorgestellt: Von einer Mischung aus Nestbautrieb und Torschlusspanik getrieben, sieht man mich derzeit durch Baumärkte, Möbelhäuser und Kindergeschäfte kugeln.
Über die Einkaufswagen von «OBI» gebeugt, habe ich in den vergangenen Tagen bereits die ein oder andere Senkwehe veratmet. Und bei «IKEA» musste ich letzte Woche unfreiwillig so gut wie jede Sitzgelegenheit Probe sitzen. Auf dem «Lycksele Lövas Bettsofa» hatte ich gar das Gefühl, ich käme nieder.
Die letzten Wochen meiner Schwangerschaft verlaufen deutlich weniger geruhsam, als es in der Theorie angedacht war.
Allein die Suche nach einem geeigneten Windeleimer hat mich Tage gekostet. Ganz zu schweigen von der aufwendigen Fahndung nach einem langärmeligen Wolle-Seide-Body, ohne den ein Säugling ja heutzutage kein menschenwürdiges Dasein führen kann.
Das hatte ich zum Glück gerade noch rechtzeitig im Kurs «Leben mit einem Kind» erfahren. Nicht auszudenken, was mein Baby hätte leiden müssen.
Unschön war, dass das unappetitlich teure Kleidungsstückchen gleich bei der ersten Wäsche deutlich einlief. Das verstärkt natürlich meinen Wunsch nach einem zarten Baby mit kleinem Köpfchen und schmalen Schultern. Das sähe ja nicht nur hübscher aus, sondern würde auch besser bei mir raus- und ins Wolle-Seide-Gewebe reinpassen.
Wolle-Seide scheint sowieso ein überaus angesagtes Gemisch zu sein. Sogar die Stilleinlagen, die im BH für Trockenheit sorgen sollen, habe ich mir auf Anraten einer Expertin in Wolle-Seide gekauft.
Die unansehnlichen Dinger erinnern mich an die Topflappen, die ich im Kindergarten gestrickt habe. Ich war damals etwas zu spät zur Handarbeitsstunde gekommen und hatte das übriggebliebene, zahnbelagfarbene Wollknäuel nehmen müssen.
Was die letzten Schwangerschaftswochen zusätzlich erschwert, sind Mütter.
Die lassen jetzt jede Hemmung fallen, quatschen dich mit Kindergeschichten voll, was das Zeug hält, drücken dir ungefragt ihr Selbstgezeugtes in die Arme oder, wenn sie es gerade nicht zur Hand haben, wenigstens einen Packen Fotos vom Nachwuchs.
Johanna hat es sich jetzt allerdings abgewöhnt, mit Bildern ihres zugegebenermaßen bildhübschen ältesten Sohnes anzugeben. Die Sache ging nach hinten los, als ein Bekannter lange das Bild betrachtete, dann mehrere entgeisterte Blicke auf Johanna warf und schließlich sagte: «Sie müssen aber einen sehr gut aussehenden Mann haben.»
Noch acht Tage bis zum Termin. Die Stilleinlagen liegen jetzt in der Wickelkommode neben der geerbten Erstausstattung und den Neugeborenenwindeln.
Alles ist bereit. Und ich hab Angst.
«Angst ist ganz normal», sagt mein Frauenarzt.
Okay, aber wie viel Angst ist normal? Und was ist die Maßeinheit für Angst?
«Mir graut vor der Geburt», sage ich am Telefon zu Johanna.
«Das braucht es nicht», sagt sie. «Wovor du wirklich Angst haben solltest, ist ein Kindergeburtstag mit acht Fünfjährigen auf einem Indoor-Spielplatz.»
18. April – noch elf Tage!
Ich erstelle gerade eine Playlist für meinen Besuch im Kreißsaal.
Ich suche nach mitreißenden Liedern, die mich aber nicht wehmütig stimmen. Denn vieles, was in meinem Leben von mitreißenden Liedern begleitet wurde, ist leider schon recht lange her oder im Nachhinein betrachtet nicht besonders gut ausgegangen.
Die Village People kommen aus diesen Gründen nicht in Betracht, da ich bei «Go West» zum ersten Mal in meinem Leben mit Georg W. auf der Pfarrhaus-Sommerfete geknutscht habe. Der musste sich anschließend zum ersten Mal in seinem Leben wegen zu viel Alkohol übergeben und wollte nichts mehr von mir und dem Kuss wissen.
Leider diesbezüglich auch belastet sind Heaven 17, Wham! und Extrabreit. Tatsächlich werde ich bis heute nervös bei: «Flieger, grüß mir die Sonne, grüß mir die Sterne und grüß mir den Mond! Piloten ist nichts verboten!» Dann frage ich mich, was ich im Leben eigentlich verpasst habe.
Und das ist genau das Gefühl, dass du nicht haben willst, wenn sich gerade ein Lebewesen aus deinem Unterleib rausschraubt, das du nie wieder loswirst und dank dem dir in Zukunft selbst Kinobesuche vorkommen werden wie ein einzigartiges Abenteuer.
So: hier nun die
Weitere Kostenlose Bücher