Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
Vom Netzwerk:
wiederum keinerlei Forderung.«
    Coghlan strich sich über seinen Bart und sah zum Deckenfächer hinauf, musterte die Sprünge im Putz, aus denen es jeden Abend beim Abfeuern der Acht-Uhr-Kanone in pulvrigen Fontänen herausrieselte und kleine Steinbröckchen hinabregnete. »Ijar hat allen Grund, uns unsere Politik übel zu nehmen. Womöglich wollen sie sich dafür rächen. Oder sie haben Mrs. Garrett als Geisel genommen, um uns zu einer Kurskorrektur zu zwingen. Colonel Outram hat mir erzählt, dass es in den unruhigen ersten Jahren der Besatzung einen Plan zur Entführung Commander Haines’ gab, der aber rechtzeitig vereitelt werden konnte. Vor diesem Hintergrund scheint so etwas durchaus denkbar.«
    Obwohl der Sultan von Lahej, zu dessen Gebiet auch die karge Halbinsel gehörte, den Briten zuerst versprochen hatte, ihnen die insgesamt fünfundsiebzig Quadratmeilen gerne abzutreten, hatte er es sich dann doch anders überlegt. Überredet von den benachbarten Sultanaten, darunter auch sein eigentlicher Erzfeind, der Sultan von Fadhli, hatten sie gemeinsam einen jihad , einen Kampf im Namen Allahs, gegen die englischen Besatzer begonnen. Fast fünf Jahre dauerte das diplomatische und militärische Tauziehen um Aden, das sogar in einer Belagerung der Engländer gipfelte, um sie von der Versorgung mit Tierfutter und Grundnahrungsmitteln aus dem Hinterland abzuschneiden. Doch Haines, mittlerweile zum Bevollmächtigten der Britischen Krone für Aden ernannt, war es gelungen, alle Angriffe abzuwehren und Friedensverträge mit den unmittelbar benachbarten Sultanaten von Lahej, Haushebi, Unter-Yafa und Aqrabi auszuhandeln, während der Sultan von Fadhli sich beleidigt auf sein Territorium zurückzog, ein Abkommen mit den Engländern verweigerte und auch seine Solidarität mit Lahej aufkündigte. Doch spätestens seit dem Tod des alten Sultans von Lahej 1847 und der Thronbesteigung durch einen seiner Söhne, der sich den Engländern gegenüber aufgeschlossener zeigte, hatten sich die Wogen geglättet. Zumindest hatte es bis zum heutigen Tag danach ausgesehen.
    »Die Araber hier entführen doch ständig irgendjemanden«, warf Playfair ungeduldig ein. »Beduinen bringen Handelsreisende in ihre Gewalt, oder die Söldner eines Sultans entführen Leute aus einem verfeindeten Sultanat. Der Sultan von Lahej thront mit seinem Palast über so etwas wie einem richtigen Dorf, in dessen Häuschen er seine Geiseln gefangen hält. Immer geht es fast ausschließlich darum, ein möglichst hohes Lösegeld zu erpressen. Das hat hier doch Tradition, gilt nicht mal als Kavaliersdelikt und scheint obendrein ein einträgliches Geschäft zu sein.«
    »Dennoch liegt uns bis jetzt keine Forderung vor«, hielt Steinhäuser dagegen.
    »Kommt vielleicht noch«, meinte Playfair achselzuckend.
    Der Colonel marschierte zum Fenster und starrte stumm zwischen den Gitterstäben hindurch ins Freie. Mrs. Garretts Entführung kam zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Neben den Alltagsgeschäften und dem weiteren Ausbau der englischen Siedlung Adens war er vollauf damit beschäftigt, den unglücklichen Ausgang der Somaliaexpedition von Captain Burton zu untersuchen. Sowohl London als auch Bombay übten Druck auf ihn aus, den Vorfall so schnell und so gründlich wie möglich aufzuklären und die rasch anschwellende Akte möglichst mit einem hieb- und stichfesten Beweis von Burtons Schuld zu schließen. Was durchaus auch in seinem eigenen Interesse lag, leider aber aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen nicht so einfach war, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Mittlerweile zog Coghlan sogar eine Besetzung des Hafens von Berbera in Erwägung, um an Ort und Stelle Besichtigungen und Befragungen vorzunehmen und zudem den dortigen Behörden unmissverständlich zu verstehen zu geben, wer hier das Sagen hatte.
    Dass Mrs. Garrett sich leichtsinnig in Gefahr begeben hatte, stand für Colonel Coghlan außer Frage, und was er von Playfair über sie gehört und wie er sie selbst bei ihren flüchtigen Begegnungen erlebt hatte, passte das auch zu ihr. Andererseits war sie Engländerin, und er konnte sie deshalb nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Sollte man in Bombay oder London davon Wind bekommen, würde ihre Entführung und deren noch ungewisser Ausgang nicht zuletzt auch auf ihn selbst zurückfallen. Schickte er jedoch zu ihrer Befreiung einen Trupp Soldaten nach Ijar, müsste er bei der feindlichen Gesinnung der weiter entfernten Sultanate damit

Weitere Kostenlose Bücher