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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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in der Zeit seines Werbens an sie gerichteten Briefe obenauf gelegen hatten.
    »Und?« Coghlans Uniformschultern hoben und senkten sich. »Dann hat sie eben Hilfe gehabt oder sich gut auf ihre Flucht vorbereitet. Meiner Einschätzung nach ist das – bei allem Respekt – Ihr privates Pech, Lieutenant, und nichts, womit Sie weiterhin Ihre und vor allem unsere kostbare Zeit verschwen– … Fisker, was fällt Ihnen ein?!«, bellte er in Richtung der Tür, durch die ein noch junger, milchgesichtiger Soldat, ohne anzuklopfen, hereingestürmt war.
    »Ver– … Verzeihung, Sir«, stotterte dieser unter seinem Helm hervor, sichtlich verängstigt und bemüht zackig salutierend. »A– … Aber als ich eben draußen auf dem Vorplatz Wache hielt, galoppierte ein vermummter Reiter vorbei und warf das da nach mir, was dann keine Handbreit neben meinem Gesicht im Türrahmen stecken blieb.« Zittrig platzierte er den Gegenstand gut sichtbar auf Coghlans Schreibtisch. Stumm starrten die Männer auf das Corpus Delicti : eine djambia , ein Dolch mit gebogener zweischneidiger Klinge, die einen hellen, ausgefransten Stofffetzen aufspießte, und um dessen ziselierten Silbergriff ein Band aus blauschwarzem Stoff geknotet war.
    »Das ist ein Stück von Mayas Kleid«, brachte Ralph mühsam hervor, als er den feinen Musselin mit dem Streublümchenmuster und dem aufgesetzten Volant erkannte. Das Kleid, das ich ihr letztes Jahr zum Geburtstag gekauft habe. Er schluckte schuldbewusst, als ihm einfiel, dass er ihren Geburtstag vor über einer Woche vergessen hatte.
    »Private Fisker, lassen Sie Kaplan Badger kommen. Und lassen Sie auch nach dem Reiter suchen«, befahl Coghlan dem jungen Soldaten tonlos, und als dieser auch nur eine Sekunde zögerte, sich in Bewegung zu setzen, brüllte er: »Sofort!«
    »Irrtum ausgeschlossen?«, hakte Coghlan gute zwei Stunden später nach.
    Der Kaplan schnitt ein Gesicht und wiegte vorsichtig den Kopf. »Mit letzter Sicherheit kann ich es nicht sagen. Mein Fachgebiet sind eher klassische arabische Handschriften und Miniaturen. Aber ich habe auf den Märkten djambias mit solchen Mustern gesehen«, sein Zeigefinger fuhr die verschlungenen Ornamente auf dem Griff nach, »und die stammten alle aus Ijar. Zwar war ich noch nie dort, aber ich weiß, dass auch Leute aus den Bergen für den Sultan von Ijar als Söldner arbeiten. Und einige der Bergstämme färben mit Indigo.« Wie zur Bestätigung hob er ein Ende des verknoteten Stoffbandes an.
    Coghlan schürzte die Lippen und begann in dem niedrigen, weißgetünchten Raum auf- und abzumarschieren, die Stirn nachdenklich in Falten gelegt.
    »Der Reiter war ebenfalls in Blauschwarz gekleidet«, warf Private Joseph Fisker, der sich nach Ausführung seiner Befehle für den Colonel wieder gefangen hatte, dienstbeflissen ein.
    Coghlan fuhr herum und machte eine zornige Geste in seine Richtung. »Den Sie haben entkommen lassen!«
    »Sir«, verteidigte Fisker sich mit einem vorsichtig empörten Unterton, »er war doch aber auch viel zu schnell und gleich wieder weg!«
    Lieutenant Playfair stützte den Ellenbogen auf die Stuhllehne und drehte sich zu Coghlan um. »Wenn er später wieder in gemäßigtes Tempo verfallen ist, kam er sicher unbemerkt durch die Wachposten am Tor hindurch, die ja keine Ahnung hiervon hatten«, er wies mit der anderen Hand auf den Krummdolch. »Dort herrscht doch täglich reger Durchgangsverkehr.«
    »Sir«, insistierte Ralph heftig, »Sie müssen einen Trupp nach Ijar entsenden, um meine –   «
    »Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe, Lieutenant«, fiel ihm Coghlan übertrieben laut ins Wort. »Ihre Frau wird wohl kaum aus der Sicherheit Ihres Bungalows hier auf dem Garnisonsgelände heraus entführt worden sein. Hätten Sie sie besser im Griff gehabt, dann würden wir uns jetzt nicht in dieser unmöglichen Situation befinden!«
    Ralph schluckte seinen Zorn und seine Widerworte hinunter und brachte gerade noch ein »Jawohl, Sir« heraus.
    Dr. John Steinhäuser warf einen letzten Blick auf den Dolch und kehrte dann an seinen angestammten Platz an der Wand zurück, zwischen den notdürftig zusammengezimmerten Regalen mit den dicken Stößen an Mappen und Dokumenten darin. »Weshalb sie wohl Mrs. Garrett entführt haben? Hätten sie sie – Entschuldigung«, meinte er mit einer leichten Verneigung in Ralphs Richtung, »einfach verschwinden lassen wollen, hätten sie uns nicht einen solchen Hinweis gegeben. Allerdings enthält dieser

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