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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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sanft gewelltes, graubraunes Meer aussah. Glänzende, nackte Felsen waren darüber verstreut, mit lachsfarbenen, blutroten und ockergelben Einsprengseln, unterbrochen von knorrigen, alters- und witterungsgebeugten Bäumen.
    » Bilad ash-Shaitan «, hörte Maya Rashad neben sich raunen und erschrocken sah sie ihn an. »Das Land des Teufels.« Er warf ihr ein spöttisches Grinsen zu, ehe er das Tuch wieder über Mund und Nase zog. Die Art, wie er die Worte betont hatte, in einer Mischung aus Sehnsucht, Wohlbehagen und Ehrfurcht, wie seine Lippen sich verzogen, seine Augen gefunkelt hatten, ließen für einen flüchtigen Augenblick ein anderes Gesicht vor das des Arabers schieben. Richard . Und Mayas Herz schlug rasch, viel rascher als die Hufschläge ihrer Pferde, als sie sich an den Abstieg jenseits des Talh machten.
    Weit kamen sie nicht mehr an diesem Tag, obwohl Rashad sie zur Eile antrieb, so gut es auf dem Schotterpfad eben ging. Die Sonne war bereits verschwunden, und in ihrem Gefolge senkte sich die Dämmerung wie ein schweres Tuch über das Trockental an den Ausläufern der Berge. Wadi wurde ein solch weites, lang gestrecktes Tal genannt, hatte Rashad Maya erklärt. Unsagbar karg in vielen Monaten, konnte es unversehens von einem reißenden Strom durchschossen werden, wenn Regen fiel. Der Ort nahe eines solchen Flusses, jetzt aber nur noch ein Tümpel, wurde zu ihrem nächtlichen Lagerplatz erkoren, als es zwischen den Steilwänden längst schon dunkel war.
    Maya fand in ihrem Zelt keinen Schlaf, obwohl jede Stelle ihres Körpers schwer war und schmerzte, sie satt war von Brot und Reis mit Bohnen und Djamilas regelmäßige, geräuschvolle Atemzüge neben ihr die Wirkung eines Wiegenliedes ausübten. Leise, um sie nicht zu wecken, nahm Maya den Umhang, den sie über ihre eigentliche Zudecke gebreitet hatte, und kroch aus dem Zelt. Ihre Stiefel, die draußen stehen geblieben waren, schüttelte sie aus, bevor sie sie anzog – wie Djamila es ihr gezeigt hatte. Auch ohne Worte hatte Maya verstanden, dass Insekten oder Reptilien es sich gerne in einer solchen Behausung gemütlich machten. Das Feuer brannte spärlich und niedrig. Nicht mehr lange, und die Flammen würden verlöschen. Maya streckte genüsslich ihre schmerzenden Glieder und atmete tief die kalte, klare Luft ein, die noch das Aroma der Berge in sich trug.
    » Masâ al-chêr , guten Abend«, ertönte es aus der Dunkelheit jenseits des Feuers, in Rashads unverwechselbarer tiefer Stimme. Maya zögerte kurz, unsicher, wie sie sich verhalten sollte, ging dann aber kurz entschlossen um das Feuer herum, bis sie seinen dunklen Umriss auf der Erde sitzend ausmachen konnte.
    »Masâ an-nûr« , antwortete sie entsprechend. In dem schwachen Licht sah sie, wie Rashad einen Lappen zur Hand nahm, damit einen Becher ausrieb und aus einer Blechkanne über dem Feuer eine heiße Flüssigkeit eingoss und ihr reichte. Er machte eine einladende Geste neben sich, und Maya ließ sich mit gekreuzten Beinen nieder. »Shukran.« Es war seltsam, wie rasch sie sich an diese fremde Kleidung gewöhnt hatte, an diese Hosen und das lockere Hemd. Nur manchmal, vor allem, wenn sie verlegen war, so wie jetzt, fehlten ihr die vertrauten, Halt bietenden Gesten wie diejenige, über ihre Röcke zu streichen oder an einem Volant herumzuzupfen.
    »Können Sie nicht schlafen?«, erkundigte er sich nun. Maya schüttelte den Kopf. Aus irgendeinem Grund, den sie selbst nicht kannte, verspürte sie das Bedürfnis, sich in seiner Sprache mitzuteilen.
    » Kathî , viel«, begann sie, und legte die Fingerspitzen seitlich an ihre Stirn, » Hâna , hier.« Ihre Hand wanderte auf ihr Brustbein, oberhalb ihres Herzens. » Wa-hâna . Und hier.«
    Rashad gab einen Laut des Verstehens von sich und nickte, schwieg aber, was Mayas Verlegenheit noch verstärkte.
    »Der Kaffee schmeckt gut«, ließ sie sich vernehmen und nahm noch einen Schluck, »mit … mit«, sie suchte nach dem passenden arabischen Wort, das ihr aber entfallen war. »Ingwer«, setzte sie schließlich auf Englisch und mit einem entschuldigenden Seufzen hinzu.
    »Zanjabil.«
    » Zanjabil «, wiederholte Maya, und beide lachten leise, vermieden es aber, sich anzusehen, starrten stattdessen in die letzten Flammen, die blässlich vor sich hinzuckten, sich rußend selbst verzehrten.
    Als Maya ausgetrunken hatte und den Becher vor sich auf die Erde stellte, erhob sich Rashad, schickte sich an, sich vom Lager weg in die Dunkelheit zu bewegen.

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