Unter dem Safranmond
gestand, schon lange in aufrichtiger Liebe zu ihr entbrannt zu sein. Dies rührte den Scheich, und großmütig verzichtete er auf seine Rechte. Er übergab seine Braut dem jungen Mann – »damit sie wieder vereint seien« – und überhäufte das junge Paar zur Hochzeit mit prächtigen Geschenken.
In dem, was Rashad mit seiner tiefen Stimme über die Menschen von al-Shaheen berichtete, entdeckte Maya so vieles wieder, was sie in den vergangenen Tagen von ihm kennengelernt hatte, und es war, als hätte sie all das mit eigenen Augen gesehen. Immer wieder schwiegen beide, kosteten den Geschmack des Fremden, das der jeweils andere zum Leben erweckt hatte, stellten sich vor, wie es wäre, nur einen Tag lang in die Haut des anderen zu schlüpfen. Das verband sie, schlug eine Brücke, die auch mit dem ersten Morgengrauen nicht verschwand.
Doch auch die längste aller Nächte geht einmal zu Ende, und so brach auch nach der siebten Nacht von Mayas Nomadenleben – der neunten nach ihrer Entführung – ein neuer Morgen an. Und dieser zeigte Maya mit seinem Fortschreiten ein anderes, neues Gesicht dieses Landes: hoch aufragende Häuser aus orangerotem Stein, von weiß bemalten Zinnen gekrönt. Weiß auch die geometrischen Malereien an den Wänden, zart wie Klöppelspitze, kreisförmig oder als mäandernde Bordüren; die Verzierungen an den Spitzbogenfenstern, den Arkaden und Galerien. Ganze Wälder von Dattelpalmen spendeten Schatten, ihre Kronen schwer und üppig und von dunklem Grün, wie Malachit. Ebenso grün wie die belaubten Bäume der Aprikosen, Mandeln und Walnüsse, die Büsche um die vielen Teiche und Bewässerungskanäle. Grün wie die Felder, die sich als glänzende Teppiche links und rechts der Straße ausbreiteten. In der Ferne konnte Maya rötliche Berge erkennen, und davor die Silhouette einer Stadt, ebenfalls kupferfarben, aber auch mit weißen Hausmauern durchsetzt, zwischen denen sich schlanke Minarette reckten und Kuppeln wölbten. Ziegen, Kühe und Schafe drängten sich um gemauerte Brunnen, grasten auf Weideflächen. Oleander blühte in Fuchsia und Weiß, die handtellergroßen, seidigen Blüten des Hibiskus in Scharlachrot, Lachsrosa und Zitronengelb; die winzigen Sterne der Jasminsträucher in Crème und Zartgelb. Ein Garten Eden, meilenweit umgeben von Sand und Fels, und Maya wusste nicht, ob sie in ihrem Leben jemals etwas derart Schönes, Betörendes gesehen hatte.
»Das ist Ijar«, rief Rashad ihr über die Schulter zu und galoppierte an, denn die Straßen befanden sich in gutem Zustand, waren sorgfältig geebnet und festgeklopft. Sie passierten einige kleinere Ortschaften, bis sie eine von größerer Ausdehnung erreichten – jene Stadt, die Maya von Weitem schon gesehen hatte. Auf einer Anhöhe breitete sich ein weitläufiger Gebäudekomplex aus, turmbewacht und imposant, auf den sie zuhielten. Sie ritten die leichte Steigung hinauf und durch ein geöffnetes Tor hindurch, bewacht von Soldaten, die freudig winkten und Rashad anerkennend etwas zuriefen.
Hinter dem Torbogen machten sie in einem großzügigen Innenhof Halt, in dem sie von noch mehr Soldaten empfangen wurden, deren Turbane in dem gleichen warmen Farbton wie die Mauern der Häuser schimmerten. Rashad glitt aus dem Sattel und begrüßte jeden Einzelnen von ihnen lachend und mit festem Handschlag. Maya sah, dass auch Djamila und Rashads Männer abstiegen, und zögerlich tat sie es ihnen gleich. Es war kein prächtiger Palast, zumindest nicht von außen, eher eine Festung, aber schön in seiner Einfachheit, dem unaufdringlichen Schmuck aus Kalkfarbe, wo der Stein rötlich, und orangebraun, wo der Untergrund hell war. Fensterreihen zogen sich entlang der Mauern, und auf zwei Seiten führte ein kleineres Tor in die entsprechenden Gebäudeteile. Aus einem dieser Tore eilte nun eine verschleierte Frau auf sie zu, in einem Gewand, rot wie Klatschmohn, am Saum mit einer breiten Bordüre besetzt, die ein filigranes Muster zeigte, in das goldene Fäden eingearbeitet waren. Goldmünzen säumten das Tuch über ihrem Scheitel, das so fein war, dass ihr dunkles Haar darunter hervorschien, und klimperten leise in der schnellen Bewegung, im Gleichklang mit den Anhängern ihres Armkettchens und der Ohrringe. Ein paar Schritte vor der Gruppe von Pferden blieb sie abwartend stehen.
Rashad kam auf Maya zu. »Sa’adiyah wird Sie in die Gemächer der Frauen bringen«, erklärte er ihr auf Englisch. »Dort sind Sie untergebracht, bis Coghlans Männer
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