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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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    Und so hatte Ralph zähneknirschend nachgegeben, sich im Schneidersitz in oder vor der Hütte eines Sheikh, eines Dorfältesten, niedergelassen und sich bemüht, ein guter Gast zu sein. Auch noch, als seine Augenbrauen emporschnellten, weil Muhsin sich für die Einladung und das ihnen vorgesetzte Mahl mit einem Sack Reis oder Linsen revanchierte, ebenfalls mit der Anmerkung, dass das so üblich sei. Währenddessen wuchs in Ralph das Misstrauen gegenüber Muhsin. Denn auch die Verhandlungen Muhsins mit insgesamt drei Gruppen bewaffneter Kamelreiter über Wegegeld und Geleitschutz hatten sich für Ralphs Begriffe über Gebühr in die Länge gezogen, bis Muhsin jeweils zwanzig Maria-Theresia-Taler gezahlt hatte. Sehr zu Ralphs Missfallen, hatte sich doch die streckenweise Begleitung der vermummten Araber ihn sich eher in Gefahr denn in Sicherheit fühlen lassen. Verzögerte sein Reiseführer ihren Weitermarsch vielleicht doch mit Absicht, um den Entführern einen möglichst großen Vorsprung zu verschaffen? Zumal Ralphs Erkundigungen nach einem Trupp schwarz gekleideter Männer mit einer Engländerin in ihrer Gewalt von den Dorfbewohnern durchweg verneint wurden.
    Sein Stiefel versank in etwas Weichem im Sand, und er sah genauer hin. »Muhsin!«, brüllte er und winkte den Mann aus Lahej heran, deutete auf die sonnengetrockneten Pferdeäpfel, in die er getreten war. »Das könnte doch ein Hinweis sein, oder?« Sein Finger wanderte weiter zu einem Hufabdruck, windgeschützt von einem Steinhaufen. »Hier müssen sie doch vorbeigekommen sein!«
    Wäre Muhsin ein Beduine gewesen, so hätte er aufgrund des Abdrucks wissen können, welcher Stamm dieses Pferd gezüchtet hatte, ob es eines aus den Bergen oder von der Küste war, anhand dessen Tiefe, ob es einen Reiter aufsitzen gehabt hatte, und falls, ob es sich dabei um einen eher ungeübten, schwerfälligen handelte oder um einen, der von Kindesbeinen an im Sattel saß. So wie die Beduinen auch nie den Abdruck eines Kamelhufes vergaßen, den sie einmal gesehen hatten, und die weichen Sohlen mit Fetzen loser Haut Kamelen aus der Sandwüste, glatt polierte Sohlen jedoch Tieren zuordnen konnten, deren Heimat Geröllfelder waren. Aus den Ausscheidungen von Pferd und Kamel konnten die Beduinen herauslesen, welches Futter es zuletzt gefressen hatte, ob mitgebrachtes oder wild abgeweidetes. Wann es zuletzt getränkt worden war und, dank ihres Wissens um die Lage der Wasservorkommen, auch ungefähr wo, und die leichteste Übung von allen: wie lange es her war, dass das Tier hier vorbeigekommen war. Doch Muhsin war kein Beduine; seine Familie war seit Generationen sesshaft auf den Feldern von Lahej und stolz darauf, ebenso stolz wie auf ihren Ruf als gerissene Geschäftsleute, und sah auf die in ihren Augen primitiven, eigenbrötlerischen und hinterhältigen Nomaden herab.
    Deshalb schoben sich nun auch Muhsins Schultern himmelwärts. »Möglich, said .«
    Ralphs ohnehin strapazierter Geduldsfaden riss. »Verflucht, Muhsin, was weißt du denn mit Sicherheit? Führst du uns überhaupt auf dem richtigen Weg nach Ijar?«
    Der Araber sah ihn mit einem zutiefst gekränkten Blick an, der einem nicht minder starken an Verachtung wich. »Sehe ich aus wie ein Beduine, said ? Wenn Ihr lieber mit einem solchen gereist wärt, hättet Ihr Euch eben einen als Reiseführer nehmen sollen! Viele Wege führen nach Ijar, aber dieser ist der einzige, auf dem man Unkundige führen kann, ohne dass sie sich den Hals brechen! Ohne dass an jeder Wegbiegung räuberische Stämme lauern! Sollten die Männer des Sultans von Ijar Eure Gemahlin nicht über diesen hier gebracht haben, dann betet zu Eurem Gott, dass Ihr sie mit heilen Knochen zurückbekommt!« Sprach’s und stolzierte hoch erhobenen Hauptes zurück zu den Kamelen.
    Wie betäubt blickte Ralph ihm nach, dann trat er zornig einen Teil der Pferdeäpfel fort, dass der Sand hoch aufstob, marschierte in das Gelände hinaus, wo er sich auf einen Felsen hockte und in die karge Landschaft hinausstarrte. Er fischte einzelne Kiesel aus dem Sand heraus und schleuderte sie weit von sich, als könnte er jedem einen zornigen oder bedrückenden Gedanken mitgeben und damit von sich abwerfen.
    Ganz gleich ob in Bengalen, Lahore, Peshawar oder Rawalpindi – immer war er sich dessen bewusst gewesen, hinter sich eine ganze Armee stehen zu haben: Die Gesamtheit aller Regimenter, die Indien zu einem Teil des Britischen Empire gemacht hatten. Dessen Grenzen es zu

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