Unter dem Safranmond
unterscheiden, ob alle Frauen zur Familie des Sultans gehörten oder Dienerinnen waren, denn ihre Gewänder und Schleier glichen einander, allesamt in Abstufungen von Rot, Orange und Gelb, was offenbar auch die Farben Ijars waren, ein leuchtender Kontrast zum Grün der Felder und Bäume. Und auch ihr Schmuck, die Ohrgehänge und Armreifen, die ziselierten Colliers, die aus den kleinen Halsausschnitten mit dem bordürenumsäumten Schlitz hervorblitzten, waren sich sehr ähnlich, teils silbern, teils golden, und ohne dass Maya daraus auf den Rang der betreffenden Frau hätte schließen können. Die Willkommensrufe waren von Gelächter begleitet gewesen ob Mayas Männertracht, an der die Araberinnen sogleich herumzuzupfen begannen, um Maya von dieser Ungehörigkeit zu befreien. Djamila, die bemerkte, dass Maya die fremden Hände am Leib als unangenehm empfand, ging energisch dazwischen und verlangte mit herrischer Stimme Wasser und ein paar andere Dinge, deren Namen Maya nicht kannte. Es schien, als gefiele den Frauen Djamilas Einsatz, und ein paar von ihnen waren davongeeilt, um ihren Forderungen nachzukommen, während die anderen Maya und Djamila in einen luftigen Raum führten: ein mit kühlem Leinen bezogenes großes Lager und dazugehörigen Kissen auf der einen Seite des Bodens, einen einfachen baumwollumhüllten Strohsack auf der anderen – ihre Unterkunft für die nächsten Tage. Nichts Aufwändiges, aber auch kein Verlies. Mehrere Frauen hatten geholfen, um einen großen Zuber, zur Hälfte mit Wasser gefüllt, hereinzuschleppen. Zwei weitere brachten einen Weidenkorb mit tönernen und gläsernen Fläschchen, Töpfen, Tiegeln, einen Stapel großformatiger Tücher und etwas Zusammengefaltetes, Rotes, auf dem ein Paar zierlicher, spitz zulaufender Pantoffeln ruhte; eine Dritte brachte einen großen Wasserkrug, ehe Djamila sie alle wieder hinauskomplimentierte und unmissverständlich heftig die Tür zuschlug.
Maya genierte sich ein wenig, sich in Djamilas Anwesenheit komplett auszuziehen. Aber aufgrund der Tatsache, dass Djamila ihr mutig das entstellte Gesicht gezeigt hatte, holte Maya ebenso tief Luft, wie Djamila es am Teich getan hatte, und schlüpfte schließlich auch aus Hemdchen und langer Unterhose. In freundlichem Tonfall Unverständliches vor sich hin murmelnd, krempelte Djamila ihre Ärmel auf und begann, eine goldbraune, gummiartige Paste aus einem der Töpfe zu kratzen und zu kneten, presste ein großes, flachgedrücktes Stück davon auf Mayas Bein und zog es sofort mit einem Ruck wieder ab. Maya schrie leise auf, vor Schreck und weil es ziepte; Djamila jedoch schnalzte zufrieden mit der Zunge, als sie die auf dem nach Karamell duftenden Gummi haftenden Härchen betrachtete. »Muss das – « wagte Maya einen zaghaften Protest, aber Djamila blieb schweigsam hartnäckig, setzte die Prozedur an beiden Beinen, auf und unter den Armen und schließlich zu Mayas peinlich berührtem Entsetzen auch an dem Dreieck zwischen den Oberschenkeln fort. Als Djamila sie in den Zuber scheuchte und sich mit einer Art Seifenpulver ans Werk machen wollte, weigerte sich Maya endgültig. Waschen konnte sie sich durchaus selbst! Aber sie genoss es, immer wieder von einem Schwall klaren Wassers übergossen zu werden. Ebenso dass Djamila ihr die Haare wusch und kämmte, nach dem Abtrocknen hier etwas in die Haut rieb, dort cremte und ölte, dabei munter vor sich hin summte und trällerte, als bereite ihr das Ganze selbst höchstes Vergnügen. Alles roch herrlich, nach Rosen und Jasmin, nach Weihrauch und Zimt, nach Hölzern und Blüten, die Maya nicht einzuordnen wusste. Das knöchellange Gewand mit den weiten Ärmeln ruhte schmeichlerisch auf ihrer Haut, und Djamila ergänzte es mit einem breiten, fast durchsichtigen Schal, den sie kunstfertig um Mayas Schultern drapierte, über ihren Scheitel zog und ihr zeigte, wie sie dessen Ende mit einem Häkchen und einer Öse befestigen konnte, um ihre untere Gesichtshälfte zu verhüllen.
Sa’adiyah, die Frau, die sie im Innenhof empfangen hatte, holte sie ab, und in einem großen, mit Teppichen ausgelegten Raum trafen sie wieder auf die gesamte Frauengruppe, die im Kreis beieinandersaß, im Schneidersitz auf mit bunten Baumwollstoffen bezogenen Polstern und bar ihrer Gesichtsschleier. Auf einladende Rufe und Gesten hin ließen sich auch Maya und Djamila nieder, bekamen bunte Gläser mit Tee in die Hände gedrückt, der süß, nach Früchten, Kardamom und einem Hauch von Rosen
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