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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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schmeckte. Platten und Schüsseln wurden aus der Mitte herumgereicht, mit Reis und buntem Gemüse, heiß und scharf, und kross gebratenen Hühnerfleischstückchen mit einer feurigen roten Paste. Als ob Djamila sich in Mayas Gegenwart sicherer fühlte oder solcherlei gewohnt war, löste sie gleichmütig den Schleier von ihrem verunstalteten Gesicht, schien den flüchtigen Moment entsetzten Schweigens nicht zu bemerken, nicht die befremdeten bis furchtsamen Blicke der Frauen, doch Maya tat es in der Seele weh. Während sie aßen, sich immer nur mit der rechten Hand bedienten, bestürmten sie Maya mit unzähligen Fragen. Woher sie käme, wie lange sie denn schon in Aden gelebt habe, was es dort Neues gebe, ob sie einen Mann hätte und Kinder? Wie – von so weit her komme sie ursprünglich? Wie es denn dort aussehe, was für Kleidung denn die Frauen dort trugen, was man dort äße und tränke, wie groß denn Mayas Familie sei. Maya bemühte sich, Rede und Antwort zu stehen, so gut sie es vermochte; spitze Ausrufe der Begeisterung prasselten auf sie ein, als die Frauen begriffen, dass Djamila nicht als Dolmetscherin dabei war, sondern Maya sich sehr wohl auf Arabisch verständigen konnte. Sofern es ihr an den entsprechenden Worten fehlte, behalf sie sich notgedrungen mit Mimik und Gestik, und ihre Entschuldigungen für ihre mangelhaften Sprachkenntnisse wurden mit aufmunternden Schnalzlauten und abschwächenden Gesten beantwortet. Die jüngeren unter den Kindern bestaunten Maya mit unverhohlener Neugierde, die aber schnell erlahmte. Selbstbewusst marschierten sie zwischen den Frauen umher, holten sich reihum Küsse und Liebkosungen ab, ließen sich mit Leckerbissen füttern, bevor sie sich ihren Spielkameraden zuwandten, um kleine Streitereien auszufechten und sich an den Haaren zu ziehen oder kreischend aus dem Raum hinauszustürmen, einander nachjagend; oder sie hielten sich mit glasigem Blick und weitem Gähnen an der Schulter einer Frau fest, ehe sie sich in deren Schoß plumpsen ließen und an die Brust kuschelten, die Lider vor Müdigkeit schon fast geschlossen. Langsam wagte auch Maya, Fragen zu stellen – wer von ihnen zum Sultan gehörte und wie die Frauen zueinander standen. Unter Gelächter schwirrten fremd klingende Namen durch den Raum, Adiba , Munawwar , Zaynab , Durrah , und Verwandtschaftsverhältnisse, die immer länger wurden … Gemahlin, Gemahlin des zweiten Sohnes, Base der Gemahlin des ersten Sohnes, Schwester der Base der Gemahlin des dritten Sohnes, bis Maya lachend kapitulierte. Eines glaubte sie aber verstanden zu haben: dass dies ein Haus war, in dem es im eigentlichen Sinne keine Herrschaft und Diener gab, sondern das Zentrum einer Sippe, in der jede der Frauen ihren Platz und ihre Aufgaben hatte.
    Diese Annahme bestätigte sich im Laufe der folgenden drei Tage. Keine der Frauen war je lange untätig: In der Küche mit dem nach außen gehenden Rauchfang gab es Mahlzeiten zuzubreiten, und davon reichlich. Die einfach gehaltenen Räume – kaum besser ausgestattet als derjenige, den sich Maya und Djamila teilten –, die von jeweils mehreren Frauen zusammen bewohnt wurden, mussten gekehrt und sauber gehalten werden. Wäsche wurde am Brunnen des kleinen Innenhofs, von den Mauern des Frauentraktes umschlossen, gewaschen, anschließend auf kreuz und quer gespannten Leinen getrocknet. Darunter auch Mayas eigene Kleidung, ihre englische Unterwäsche und die Kleidung der Männer von al-Shaheen; alles zusammen sorgsam in einer schlichten Truhe in ihrer Schlafkammer verstaut. Salben und Tinkturen galt es zu mischen und anzurühren, Gewänder zu nähen, zu flicken und zu besticken. Und nicht zuletzt wurden die zahlreichen Kinder zu kleineren Arbeiten angelernt, wenn sie nicht miteinander spielten, man ihnen Geschichten erzählte, Verse aufsagte oder mit ihnen Volksweisen sang.
    Maya blieb sich selbst überlassen; dass sie den Teil des Palastes nicht verließ, der den Frauen vorbehalten war, verstand sich von selbst, und dessen einziger Ausgang mündete in den großen Innenhof, in dem Maya angekommen war und dessen Tor unablässig bewacht war. So wanderte sie durch die Gemächer und Flure, sah sich in aller Ruhe um und den Frauen bei ihrer Arbeit über die Schulter, schnupperte in die Luft, die nach frischer Wäsche roch, nach Heu und dem Stein der Wände; nach Anis, Kreuzkümmel, Safran, nach Thymian und Minze, Sesam- und Olivenöl. Nach Essenzen wie Moschus und Ambra, schwer und betäubend, nach

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