Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
Vom Netzwerk:
Rosenwasser, Galbanum und Kampfer, beides scharf und doch frisch, oder süß nach Vanille und blumig nach Veilchen.
    Mehrfach hatte Maya sich angeboten, ihnen zur Hand zu gehen, doch jedes Mal hatten die Frauen gelacht und ihr die Schultern oder Unterarme getätschelt – sie sei doch Gast hier, sie solle sich doch ausruhen und nicht arbeiten! Höchstens eines der ganz kleinen Kinder hatte man ihr in den Arm gedrückt, wenn es zu sehr am Rockzipfel der Mutter hing und bei der Arbeit im Weg war, und Maya hatte es auf den Knien geschaukelt, ihm englische Kinderlieder vorgesungen und so lange Grimassen geschnitten, bis das Kind nicht mehr aufhörte zu lachen und vor Begeisterung fröhlich quietschte.
    Obwohl sie sich im Palast von Ijar befand, erinnerte Maya hier kaum etwas an den märchenhaften Prunk, den sie in ihrer Vorstellung immer mit Arabien verbunden hatte. Es gab keine Marmorsäulen, keine goldenen Leuchter; keine Eunuchen in Pluderhosen als Wächter eines Harems schöner Orientalinnen und Odalisken; keine pfundschweren Geschmeide mit taubeneigroßen Diamanten und Rubinen. Einfach und schlicht war alles, ländlich und fast bäuerlich, aber von einem ganz eigenen Zauber: Wandmalereien, einfache Farbe auf Putz, teilweise sichtlich alt – geometrische Muster, Blüten- und Blätterranken, abstrakte Ornamente; leichte Teppiche in leuchtenden Farben, die Fäden so fein und sorgsam geknüpft, dass Maya sie nur aus allernächster Nähe voneinander unterscheiden konnte, sie aus größerem Abstand wie bemalt wirkten; kostbar geschnitzte Truhen mit ziselierten Metallbeschlägen und vor allem Stoffe in aller Pracht und Herrlichkeit, die denkbar war: an Kleidung, an Kissen und Decken. Keine Seide, nirgends, aber Baumwolle, die dick und flauschig sein konnte oder so hauchdünn und glänzend, dass ein Seidenweber vor Neid erblasst wäre. Maya staunte darüber, was sich aus Garn und Farbe zaubern ließ, in welch reicher Palette an Schattierungen sich die Töne mischen ließen, von Karmin- und Zinnoberrot über Kirschrot und Koralle bis hin zu Quittengelb und Ginster. Auf ihre Fragen hin bekam sie erklärt, wie alt die Muster waren, in denen Bordüren gewoben wurden, Tuchbahnen bestempelt, Säume bestickt. Beinahe jede Familie besaß gleich mehrere Muster, die von Generation zu Generation an die Töchter weitergegeben wurden, und doch ähnelten sie sich in ihren Grundzügen, weil sie alle sichtbar machen sollten, dass die Hand, die die Nadel geführt hatte, die Frau, die den Stoff besaß oder trug, aus Ijar stammte.
    Zeit für ein Schwätzchen gab es jedoch immer, und gerade in den Abendstunden saßen die Frauen lange beisammen, zu Tee und einem Imbiss, tratschten und lachten, und wer von ihnen unten in der Stadt gewesen war, brachte von dort Neuigkeiten mit. Die eine oder andere stellte kichernd dar, wie sie über ihrem Gesichtsschleier einem Händler mit flatternden Wimpern einen koketten Augenaufschlag geschenkt hatte, der ihr daraufhin sofort einen günstigeren Preis gemacht hatte.
    Gestern war die Stimmung zu vorgerückter Stunde besonders übermütig gewesen: Sa’adiyah, die nach Mayas Verständnis die Aufgaben einer Hausdame innehatte, hatte von Aussehen und Auftreten Rashad ibn Fahds geschwärmt, und einige der anderen Frauen hatten mit gleicher Inbrunst in dieses Loblied eingestimmt. In vertraulichem Tonfall und mit begehrlichen Blicken hatten dann die Frauen von Maya wissen wollen, wie es denn um die Manneskraft der Engländer bestellt sei – bei ihrem Gemahl beispielsweise, und welche Vorlieben in der körperlichen Vereinigung man denn in der Fremde pflegte? Maya war vor Verlegenheit hochrot angelaufen, um Worte ringend, bis Djamila sich eingemischt hatte, ihre Herrin sei müde und müsse schlafen gehen, in einem Tonfall, der keine Widerrede duldete.
    Es war weniger Prüderie, aus der heraus Maya so empfindlich reagiert hatte, als die unerwartete Konfrontation mit den Gedanken an sowohl Ralph als auch Rashad, die sie von der überwältigenden Fülle an Eindrücken nur zu bereitwillig hatte beiseiteschieben lassen. Doch einmal geweckt, ließen sich diese Gedanken nicht so leicht wieder verdrängen, und ihretwegen war Maya heute hier heraufgekommen, in die Schatten der ansonsten von Sonnenlicht überfluteten Terrasse.

    Maya seufzte auf und strich zum wiederholten Male über ihr Gewand, als befänden sich Falten darin, die der Glättung bedurften. Mit einer Art versteinertem, feinporigem Schwamm hatte Djamila ihr so

Weitere Kostenlose Bücher