Unter dem Safranmond
sein, wie Maya aus dem graumelierten Bart und der nicht mehr ganz glatten Haut auf seinen Handrücken schloss.
»Man sagte mir, dass ich Euch hier fände«, richtete er das Wort an sie und lächelte. Er hatte gütige, tiefbraune Augen. Maya sah ihn nur an, und seine Stirn legte sich in Falten. »Ihr sprecht doch unsere Sprache?«
Maya nickte, wackelte dann leicht mit dem Kopf. »Ein wenig«, antwortete sie wahrheitsgemäß und mit einem kleinen Auflachen, das er erwiderte.
»Verzeiht, dass ich erst heute nach Euch sehe – meine Geschäfte ließen es bislang nicht zu.« Er legte seine Rechte auf sein Herz und verbeugte sich angemessen tief. »Euer Gastgeber – Sultan Salih ibn Muhsin al-Ijar.«
Maya sprang hastig auf, verwirrt und unsicher, wie sie sich zu verhalten hatte, und entschloss sich impulsiv zu einem wohlerzogenen britischen Knicks. »Maya Garrett«, erwiderte sie hastig und angelte mit den Zehen verstohlen nach ihren Pantoffeln.
»Sagt – ist alles zu Eurer Zufriedenheit?«, erkundigte sich Sultan Salih. Er war kein Herrscher vom Charakter eines Sultans von Lodar, der Vergnügen daran hatte, sich vieler Gefangener zu rühmen. Unter normalen Umständen hätte ihm allerdings die Nachricht seiner Dienerschaft genügt, dass es der englischen Frau gut ginge, schließlich wusste er das Unterpfand für seine Verhandlungen mit der Regierung von Aden bei seinen Frauen in den besten Händen. Doch Sultan Salih war von Natur aus ein neugieriger Mann, und was er aus dem Frauentrakt gehört hatte – dass die Fremde arabisch sprach, sich für das Leben im Palast interessierte, für die Führung des Haushaltes und die Küche gar ihre Hilfe bei der Arbeit angeboten hatte, überhaupt eine sehr offene und wissbegierige Person zu sein schien – hatte ihm keine Ruhe gelassen und ihn dazu bewogen, sich selbst ein Bild von seinem Gast zu machen. Und dieses fiel überraschend reizvoll aus.
Maya nickte, doch er musste wohl die Spur eines Zögerns darin entdeckt haben.
»Habt Ihr einen Wunsch, den ich Euch mit meinen bescheidenen Mitteln erfüllen kann?«
Maya biss sich kurz auf die Unterlippe, überlegte, ob sie es wagen konnte, bis sie schließlich herausplatzte: »Verzeiht – aber besitzt Ihr vielleicht Bücher?«
Das Erstaunen in des Sultans Gesicht ließ Maya fieberhaft nachdenken, ob sie das richtige Wort, kutub , gebraucht und auch korrekt ausgesprochen hatte, bis sich seine Miene weiter erhellte und er nickte. »Gewiss. Folgt mir.«
Im mittleren Stockwerk des Palastes gab es einen Durchgang von den Frauengemächern zu den übrigen Gebäuden, und gar nicht weit davon entfernt führte der Sultan Maya in einen Raum, in dem mehrere Truhen standen. Die Oberflächen aus altersdunklem Holz waren mit feinen Schnitzereien verziert, die wie Blätter spitz zulaufenden oder rechteckigen Beschläge der Kanten und der Deckel bestanden aus gelblichem Metall. Ob aus Messing oder Bronze, hätte Maya nicht zu sagen vermocht. Auf dem Teppich in dunklen Blau- und Rottönen stand ein quadratischer Tisch, in dessen Platte ein sternförmiges Mosaik in ähnlichen Farben eingelassen war. Er reichte Maya ungefähr bis zur Mitte ihrer Wade, und davor lag ein dickes Polster, reich bestickt und an den vier Ecken mit Quasten versehen.
»Bitte«, der Sultan machte eine raumgreifende Geste. »Sucht Euch aus, wonach Euch verlangt. Ihr könnt die Bücher mitnehmen oder hier lesen. Wann immer Ihr wollt.« Mit zögerlichen Schritten trat Maya wahllos auf eine der Truhen zu, kniete sich davor und klappte den Deckel zurück. Mit einem ebenso erstaunten wie glücklichen Laut sog sie den Atem ein, und mit ihm den vertrauten, staubig-samtigen Geruch alter Bücher, der ihr so sehr gefehlt hatte, dass ihr vor Glück Tränen in die Augen stiegen. Aufeinandergestapelt lagen die kostbaren Bände darin, in feines Leder gebunden und mit tiefen Prägungen goldener arabischer Schriftzüge versehen. Behutsam nahm sie den ersten in die Hand, hob ihn heraus und entzifferte mit gerunzelter Stirn die geschwungenen, verschnörkelten Zeichen, schlug ihn auf und überflog die Seiten. Geraume Zeit verging, in der Maya sich die einzelnen Bücher ansah. Dabei war sie so vertieft in diese Schätze, dass sie sogar die Anwesenheit des Sultans vergaß und nicht sah, wie sein Gesichtsausdruck von stiller Freude zu nachdenklichem Erstaunen wechselte, als er etwas in sich aufsteigen spürte, was er lange Jahre verloren geglaubt hatte.
Schließlich hatte Maya das gefunden,
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