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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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die Schulter massierte, einen Kuss auf die Wange gab, dann verschwamm ihre Wahrnehmung wieder, vernebelte sich ihr Bewusstsein unter Leibeshitze und Wehenschmerz. Ein Felsblock rammte sich von innen gegen ihr Becken, schrammte ihr die Knochen auf, zwang das Gebein auseinander, das nicht weichen wollte.
    »Pressen, Maya, pressen«, hörte sie den Bass Dr. Symonds’ konzentriert anordnen. »Pressen!«
    »Ich press doch, gottverflucht!«, stieß Maya zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. An ihren Schläfen traten die Adern deutlich hervor, drohten scheinbar jeden Augenblick zu platzen. Doch das war nichts gegen die Kraft, die ihren Unterleib langsam, aber stetig auseinanderiss. Maya barst, brach längs entzwei, und ihr Innerstes ergoss sich über das Bett, sie konnte es fühlen. Mit dem nächsten keuchenden Atemzug spürte sie eine so ungeheure Erleichterung, dass sie hätte schreien mögen, hätte sie es noch gekonnt, und so weinte sie nur still vor sich hin, überzeugt, dass sie gerade starb.
    Und Maya starb, wurde als Mutter wiedergeboren, als ein Quäken an ihr Ohr drang, in dem es rauschte und pochte, dann ein klarer, hoher, lauter Schrei, dem viele kleine, empörte folgten, halb Schluchzer, halb Beschwerden.
    »Das Baby! Es ist da, Maya, du hast es überstanden.« Die Stimme ihrer Mutter, gedämpft und doch entsetzlich laut, Küsse, überall auf ihr tränennasses, schweißtriefendes Gesicht. Unter gewaltiger Anstrengung riss sie die Lider auf, blinzelte, um ihre Augäpfel, die sich vor Erschöpfung nach hinten verdrehten, wieder auszurichten. Ein Bündel wurde neben sie gelegt, und daraus schaute ein Köpfchen hervor, knallrot und runzlig wie ein Apfel vom letzten Sommer.
    »Es ist ein Junge.«
    Ungläubig betrachtete Maya ihn, strich dann vorsichtig mit zitterndem Finger über die Wange, worauf sich das Köpfchen ihr zuwandte. Instinktiv zog Maya das Baby zu sich, schob es sich auf den Oberkörper und zerrte den Ausschnitt ihres Nachthemdes herunter.
    »Kind, du wirst doch nicht, das schickt sich …«
    »Lass sie, Martha!«
    »Sie soll doch nicht … die Flecken gehen nie wieder aus den Kleidern …« Es war immer Marthas Wunsch gewesen, ihre beiden Töchter so gut zu verheiraten, heraus aus dem einfachen Bürgertum und hinauf in die Oberschicht, dass ihnen unter anderem ihr eigenes Schicksal des langwierigen, nur schwer mit gesellschaftlichen Verpflichtungen zu vereinbarenden Stillens erspart bliebe.
    »Meine Güte, Martha, nun sei nicht so! Hilf lieber deinem Mädchen!«
    Martha Greenwood, die bis zu diesem Moment gehofft hatte, ihre Tochter würde auf ihr Angebot, eine Amme für das Kind zu finden, eingehen, ergab sich in ihr Schicksal und zeigte Maya, wie sie das Neugeborene anzulegen hatte, und es rührte sie mehr, als sie es jemals vermutet hätte.
    Maya seufzte, als die Knospe des Kindermundes und die dunkle Spitze ihrer angeschwollenen Brust sich fanden. Als es zu saugen begann, verursachte es einen brennenden Schmerz, wie von tausend Nadelstichen, und gleichzeitig schoss ein süßes Ziehen von dort durch Maya hindurch, ließ die Wurzeln ihres strähnigen Haares prickeln und ihren Körper bis in die Zehenspitzen kribbeln. Staunend betrachtete sie das Gesicht, den faltigen Arm mit einer so winzigen, so perfekten Hand und Fingerchen, komplett mit Nägeln, die schimmerten wie Perlmutt. Zart strich sie über das dichte schwarze Haar, das feucht auf dem Köpfchen klebte. Er ist da. Mein Sohn. Dein Sohn, Rashad al-Shaheen.
    Und Maya legte ihren Kopf in den Nacken und lachte und weinte zugleich.
    Müde schleppte sich Martha Greenwood die Treppe hinunter. Im Salon war längst das Feuer erloschen, waren die Lampen heruntergebrannt. Doch ein silbriger Schimmer durch das eine Fenster, dessen Vorhänge beiseitegezogen waren, ließ Konturen erkennen, malte einen schwarzen Schatten vor das Fensterbrett – der Umriss ihres Mannes.
    Marthas Kleid war zerdrückt, fleckig und durchgeschwitzt, von Mayas Leib ebenso wie von ihrem eigenen. Dicke Strähnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst, klebten ihr an den Wangen oder hingen lose herunter, doch sie bemerkte das alles nicht.
    Das Rascheln ihrer Röcke ließ Angelina auffahren, die auf dem Sofa zusammengekauert eingeschlafen war. »Ist es da?« Als sie ihre Mutter nicken sah, sprang sie auf, doch Martha hielt sie am Arm zurück.
    »Das ist kein Anblick für dich. Warte, bis alles saubergemacht und –   « Aber Angelina hatte sich schon losgerissen und rannte

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