Unter dem Safranmond
Trauer trägst und nicht die Puppen tanzen lässt, bleibt alles im Rahmen der Schicklichkeit.«
»Italien wäre nett«, murmelte Maya nach einer Weile. »Das würde Jonah bestimmt auch gefallen.«
»Italien?! Italien ist Schnee von gestern! Da fährt heute kein Mensch mehr hin, der etwas auf sich hält! Ich habe doch neulich in einem Magazin … wo war das noch gleich? War es die London Illustrated News? Oder Fraser’s Magazine for Town and Country? Nein, das war es sicher nicht … Aber wo habe ich denn … Meine Güte, mein Gedächtnis lässt wirklich nach. Am besten komme ich gleich mit dir mit, allmählich macht sich das Alter bemerkbar! Leichtes Ziehen in den Gliedern verspüre ich jetzt schon, dabei ist noch nicht einmal Winter … – Nein, ich dachte dabei an Cairo.«
»Cairo?«
Tante Elizabeth ließ sich von Mayas entgeistertem Blick nicht beirren, zumal sie den interessierten Funken darin hatte aufglimmen sehen. »Jawohl, Cairo. Du liebst doch die arabische Welt, nicht wahr? Und Cairo erlebt gerade einen enormen Aufschwung. Der Bau des Kanals bei Suez ist beschlossene Sache. Du wirst sehen – in ein paar Jahren wird Cairo die Metropole am Mittelmeer sein! Mondän wie ein zweites Paris!«
Der Enthusiasmus ihrer Tante entlockte Maya ein Lächeln. Trotzdem schüttelte sie den Kopf. »Das kann ich mir nicht leisten. Ich besitze doch so gut wie nichts.«
»Du erhältst doch eine kleine Pension als Witwe, nicht wahr?« Maya wollte etwas erwidern, doch Tante Elizabeth ließ sich nicht unterbrechen. »Ja, ich habe gelesen, was diese Person aus Gloucestershire dir geschrieben hat. Aber sie wird damit nicht durchkommen – der Armee wird es gleich sein, ob eure Ehe nun gut oder schlecht war. Verwitwet ist verwitwet, daran ändert auch eine verbiesterte Schwiegermutter nichts.«
»Aber es widerstrebt mir – «
»Wirst du wohl still sein! Schön, du warst keine Heilige – aber dein Ralph genauso wenig! Für all jene Tage, die du in dieser Ehe unglücklich warst, stehen dir diese paar Pfund gewiss zu! Außerdem trage ich mich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, ob ich tatsächlich den Rest meiner Tage in Bath verbringen möchte. Die Stadt ist auch nicht mehr ganz das, was sie mal war! Für das Haus bekäme ich gewiss ein hübsches Sümmchen. Oder zumindest eine ordentliche Miete … Hach, da fällt mir ein …« Sie begann in ihrem Pompadour-Beutel herumzukramen und förderte einen längs in der Mitte zusammengefalteten, geöffneten Briefumschlag zutage. »Schau dir das mal bitte an.«
Mit gerunzelter Stirn nahm Maya ihn entgegen. »Wer schreibt mir unter meinem Mädchennamen an deine Adresse?«
»Frag nicht so viel – lies!«
Verehrte Miss Greenwood … freut es mich außerordentlich, Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Manuskript mit dem Titel … bieten wir Ihnen eine Vorauszahlung in Höhe von einhundert Pfund … gerne noch weitere Werke …
Maya sank in den Sessel und starrte ungläubig auf den Brief.
»Na, wie habe ich das gemacht?« Tante Elizabeth strahlte über das ganze Gesicht. »Hast du gelesen, was er über deinen ›eleganten Stil ‹ und die ›unkonventionelle Thematik ‹ geschrieben hat? Dass er noch mehr von dir haben möchte? Geschichten, die im Orient ihren Schauplatz haben, sind gefragt!« Als Maya weder antwortete noch eine Regung zeigte, fuhr sie bedrückt fort: »Ist es dir nicht recht, dass ich eine Abschrift an den Verleger geschickt habe? Ich weiß, ich hätte es nicht hinter deinem Rücken tun sollen, aber ich dachte … Deshalb auch dein Mädchenname, ich hielt es für besser … Du kannst auch alles rückgängig machen, wenn – «
»Nein«, Maya schüttelte den Kopf, lachte auf, bekam erneut feuchte Augen, vor atemloser Freude dieses Mal. »Nein! Ich … ich weiß nur im Augenblick nicht, was ich sagen soll.«
»Das macht nichts.« Ihre Tante erhob sich und tätschelte ihr die Schulter. »Ich lasse dich damit einstweilen allein und geh nachschauen, wo deine Mutter bleibt. Sie wollte schon längst damit fertig sein, die Einkaufsliste mit Rose zu besprechen. Oh«, in der Tür wandte sie sich noch einmal um, »und mach dir Gedanken über Cairo!«
»Cairo?«, riefen Gerald und Martha Greenwood eine Woche später beim Dinner wie aus einem Mund und tauschten einen bestürzten Blick. Es war offensichtlich, dass sie damit gerechnet hatten, Maya würde bei ihnen in Black Hall bleiben, mit Jonah; wenn schon Angelina – vor Kurzem Mutter einer Tochter geworden – das
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