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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Wirkung: Die Weigerung einer Gruppe von Soldaten in der Garnison von Meerut, nahe Delhi, die neuen Gewehre zu gebrauchen, wurde drakonisch geahndet. Die Kameraden waren nicht bereit, diese Strafe so einfach hinzunehmen und tobten am Abend des 10. Mai durch die Garnison, ermordeten Männer, Frauen und Kinder, plünderten und brandschatzten Bungalows und das Magazin. Am nächsten Morgen zogen sie weiter nach Delhi und fanden dort Nachahmer und Anhänger, die ebenfalls raubten, zerschlugen und mordeten, was sie an Europäern zu Gesicht bekamen, andere in die Flucht schlugen und die Stadt in ihren Besitz nahmen.
    Delhi oder Punjab – wo war ein Eingreifen jetzt nötiger? Das war die Frage, die es in Rawalpindi zu entscheiden galt. Delhi, lautete nach ein paar Tagen die Antwort des Krisenstabs der verschiedenen Regimenter. Denn wer Delhi hielt, hielt Indien, so war es von jeher gewesen, noch ehe die Engländer die Macht übernommen hatten. In Delhi konzentrierten sich die Rebellen, und solange sich auch Bahadur Shah in der Stadt verschanzt hielt, dem sich die Aufständischen unterstellt und den sie mittlerweile zum Kaiser von Indien ausgerufen hatten, besaß diese Rebellion ein Gesicht – und zwar das des letzten Moguls von Indien. Eigentlich war er nur noch ein alter, kranker Mann, ein Marionettenherrscher, abhängig von Opium und dem Geld der Engländer, und dennoch war seine Symbolkraft ungeheuer. Delhi, das war die Antwort. Denn wenn es den Briten gelänge, Delhi zurückzuerobern, Bahadur Shah gefangen zu nehmen oder gar zu töten, zeigten sie damit ihre Überlegenheit und träfen die Rebellen an ihrem empfindlichsten Nerv.
    So verließen die Männer des Corps of Guides um ein Uhr morgens am 19. Mai Rawalpindi. Zu Fuß, fünfhundertundachtzig endlose Meilen entlang der jahrhundertealten Grand Trunk Road , in Gluthitze und Staub, bis sie am 9. Juni vor den Mauern Delhis eintrafen, wo sich bereits die ersten Regimenter anderer Garnisonen postiert hatten. Weitere folgten im Laufe des Sommers, denn die Stadt, einst als Festung der Moguln erbaut, erwies sich als uneinnehmbar. Und trotz der Sprengung des Magazins innerhalb der Stadt durch eine Gruppe mutiger britischer Soldaten am 11. Mai, am Tag des großen Mordens, schienen die Rebellen noch mehr als genug Munition zu besitzen, um sich standhaft zur Wehr zu setzen.
    Tapfer harrten die Truppen aller Regimenter aus. In Hitze und Monsunfluten, trotz Krankheiten und immer wieder aufflammender Gefechte, die viele Opfer forderten, auch unter den Guides. Im Juni, im Juli, den gesamten August hindurch. Lange Wochen, in denen Maya in Black Hall hoffte und bangte, jeden Tag die Zeitungen nach nur einem Wort durchsuchte, das ihr einen Hinweis darauf geben mochte, wo genau Ralph sich jetzt befand und wie es ihm ging. Die zusammenzuckte, wenn die Post kam, und erleichtert durchatmete, wenn keine Nachricht aus Indien für sie dabei war. Denn keine Nachrichten bedeuteten angesichts der Brutalität, mit der Soldaten und Rebellen um die Vorherrschaft in Indien rangen, immer gute Nachrichten.
    Ralph sah, wie Captain Daly verwundet wurde, sah viele seiner sepoys schon gleich am ersten Tag fallen. Er selbst verzagte jedoch nicht. Weil sie Guides waren und weil die Kunde von ihrem tapferen Marsch durch halb Indien ihnen vorausgeeilt war, waren sie von ihren Kameraden im Zeltcamp in der Ebene vor Delhi, an den Ufern des Yamuna, als Helden empfangen worden. Hier war es, das Abenteuer, von dem er sein Leben lang geträumt hatte. Mit Blick auf die Stadtmauern aus rotem Sandstein, hinter denen sich die Rebellen verschanzt hielten, auf die Kuppeln und Minarette der Moscheen, die Türme des Lal Qila , des Roten Forts, in dem Bahadur Shah residierte, unter Türmen und Dachpavillons, wartete die einmalige Chance, Geschichte zu schreiben, durch die Gunst des Schicksal und mittels eigener Kraft. Das hielt ihn aufrecht – das und der Gedanke an Maya. Seine Maya. Aufrichtige Reue und Verzeihung zu erlangen wie zu gewähren genügten ihm nicht mehr; es verlangte ihn danach, ihr als Held gegenüberzutreten, reingewaschen von seinen Missetaten und geheiligt durch den Glanz eines siegreichen Kampfes. Und er wusste, seine Stunde würde kommen.
    Sie kam, nachdem in den ersten beiden Septemberwochen das schwere Geschütz eingetroffen war und harter Kanonen- und Granatenbeschuss Breschen in die Bastionen und Mauern geschlagen hatte. Die Munition der Meuterer schien zur Neige zu gehen, ebenso wie ihr Proviant

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