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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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schade, dass Sie morgen schon wieder weiterreisen müssen. So haben Sie gar keine Gelegenheit mehr, sich noch etwas von unserer schönen Stadt anzusehen.« Oh Mutter , stöhnte Maya ob des lauernden Tonfalls in Marthas Stimme innerlich auf, und doch schlug ihr Herz schneller vor Hoffnung.
    »Nun«, Ralphs Augen wanderten etwas unsicher von seiner Gastgeberin zu Gerald, hinüber zu Jonathan, blieben dann an Maya hängen. »Eigentlich erwartet mich meine Familie erst übermorgen …«
    Maya starrte verkrampft auf ihr noch unberührtes Dessert. Unter dem Tisch ballte sich ihre Linke zur Faust. Bitte bleib , bat sie stumm.
    »Oh, dann müssen Sie ganz einfach noch so lange bleiben«, jubelte Angelina. »Das wäre wundervoll!«
    »Sie sind herzlich eingeladen, Mr. Garrett«, bestätigte Gerald. »So lange sie möchten. Ihr vier«, mit dem Dessertlöffel wies er reihum auf die jungen Leute, »könntet euch morgen einen netten Tag in der Stadt machen.« Schmunzelnd sah er seine Gattin an. »Dann steht ihr der Herrin des Hauses bei den Weihnachtsvorbereitungen nicht unnütz im Weg herum.«
    Es blieb still nach Geralds Worten. Nur einen winzigen Augenblick lang, aber zu lange für Maya. Sie sah auf, und ihr Blick traf sich mit dem Ralphs, der den ihren so festhielt wie zuvor in der Halle. Und genauso breitete sich jetzt ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, das Maya ein wohliges Flattern durch die Magengegend schickte. »Vielen Dank. Ich bleibe sehr gerne.«

6
     »Premierminister Lord Aberdeen ist nicht begeistert von der Aussicht auf einen baldigen Krieg«, berichtete Gerald Greenwood und betrachtete nachdenklich den glimmenden Stumpen, den er zwischen den Fingern hin- und herrollte. Zur Feier des Abends hatte er seine Pfeife liegen gelassen und stattdessen sich und den beiden jungen Männern je eine seiner teuren Zigarren spendiert. »Und Ihre Majestäten Königin Victoria und Prinzgemahl Albert haben sich ebenfalls grundsätzlich dagegen ausgesprochen.«
    Es war schon weit nach Mitternacht; die jungen Damen hatten sich auf einen Wink Marthas hin recht bald nach dem letzten Glas Dessertwein zurückgezogen. Denn auch wenn Martha Greenwood ihrem Gast besondere Aufmerksamkeit hatte zuteilwerden lassen, war er doch als Freund ihres Sohnes ins Haus gekommen.
    Und so war dieses Dinner ein ganz gewöhnliches Familienessen gewesen, und das rechtfertigte ihrer Meinung nach keine Ausnahme, was die strengen Zubettgehzeiten ihrer Töchter anbetraf. Im Salon indes konnten die Herren rauchen und sich bei mehreren Gläsern eines zwölfjährigen Bowmore Single Malt ohne Rücksicht auf empfindsame Damenseelen über die Weltpolitik unterhalten.
    »Der Kommentar der Times spricht sich ebenfalls dagegen aus«, warf Ralph ein und hob die Zeitung an, durch die er gerade blätterte.
    »Ha«, machte Jonathan und rutschte wohlig ein Stück tiefer in seinen Sessel. »Sogar die! Dabei wurde sie doch schon mehrfach als ›russisches Organ des Druckerviertels‹ geschmäht! Angeblich soll ja selbst Zar Nikolaus gar nicht so wild auf einen Krieg gewesen sein – lieber hätte er die Gebiete ohne große Gegenwehr einkassiert.«
    »Bislang schien sich die englische Öffentlichkeit nicht sonderlich für diesen Krieg zu interessieren«, sinnierte Gerald halblaut. »Unsere Wirtschaft ist gerade auf Talfahrt. Hinzu kommt dieser ungewöhnlich strenge Winter in manchen Landesteilen. Vor allem in den Gebieten, die vom Ackerbau leben, hat das fatale Auswirkungen. Es gibt schon jetzt die ersten Aufstände, weil die Arbeit dort ruhen muss und die Tagelöhner ihre ohnehin kargen neun Shilling pro Woche nicht verdienen können. Aber ungeachtet dessen haben die lebhaften Schilderungen der Schlacht von Sinope die Emotionen hochkochen lassen. Nun spricht man überall davon.«
    »Kein Wunder«, ließ sich Ralph vernehmen, als er die Times zusammenfaltete und auf den niedrigen Tisch vor ihnen fallen ließ, oben auf das dort liegende Oxford Journal . »Die Presse wettert lauthals gegen den Zaren und lobt die ›braven, aber schwachen Türken ‹ in den Himmel. Sinope wird sich vielleicht als Zünglein an der Waage erweisen.«
    Gerald stieß genussvoll den Rauch seiner Zigarre aus und sah Jonathan aus zusammengekniffenen Augen an. »Du bist zwar erwachsen und warst schon immer vernünftig für dein Alter, aber dennoch zöge ich es vor, du würdest dich im Kriegsfall nicht melden. Lieber wüsste ich dich bei deinem bisherigen Regiment in Bengalen denn an der Front.«
    »Bei

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