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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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so brach das jugendliche Quartett nach dem Frühstück froh gestimmt von Black Hall aus auf, warm eingepackt zum Schutz gegen den Frost: die beiden jungen Damen in ihren langen Capes – Mayas tannengrün, Angelinas kobaltblau – über den ausladenden Kleidern, die weiten Kapuzen tief in die Stirn gezogen und mit farblich passenden Handschuhen ausgestattet. Jonathan hatte seinen voluminösen maronenbraunen Havelock-Mantel mit mehrfacher Schulterpelerine übergezogen, und auch wenn der hohe Zylinderhut in seiner Eleganz an ihm irgendwie deplatziert wirkte, trug er diesen doch mit erhabenem Gleichmut. Im Gegensatz dazu war das flache, runde Barett mit dem Kinnriemen aus schwarzem Leder von Ralphs Regiment, khakifarben wie die Uniform und der mit schwarzer Lammwolle gefütterte Mantel, wenig kleidsam zu nennen. Doch der Attraktivität eines Ralph Garrett vermochte selbst diese eigentlich recht lächerliche Kopfbedeckung keinen Abbruch zu tun.
    Sie wanderten die St. Giles Street hinab, unter den schneeverkrusteten Ästen der Bäume hindurch, vorüber an den Hausfassaden aus dem für Oxford so typischen graugelblichen Headingtoner Kalkstein. Maya und Ralph gingen sicheren Schrittes über den harschigen, überfrorenen Schnee, der unter ihren Sohlen knirschte, gefolgt von Angelina, die mit ihren leichten Stiefeletten nicht den rechten Halt fand und an Jonathans Arm hinterhertrippelte. Mit einer ausladenden Armbewegung und einer halben Drehung deutete Maya eine große Geste an, die die gesamte Straße einschloss. »Jedes Jahr Anfang September findet hier ein Jahrmarkt statt, zwei Tage lang. Mit Schiffschaukel und Karussell, mit Feuerschluckern und Leierkastenmännern, Akrobaten und Musikkapellen. Und natürlich sind jede Menge Buden aufgebaut, an denen es lustiges Blechspielzeug zu kaufen gibt und Zuckerzeug. Als Kind war mir jedes Mal, nachdem wir hier waren, die ganze Nacht schlecht.«
    Ralph legte den Kopf in den Nacken und lachte. »An solche Märkte und ihre Folgen erinnere ich mich auch nur zu gut!«
    »Jaha, und wie ich dich kenne, geht es dir heute dabei nicht anders, wenn auch nicht wegen zu vieler Süßigkeiten«, ließ sich Jonathan hinter ihnen vernehmen und reagierte auf Ralphs abwinkende Geste, begleitet von einem Grinsen, das er ihm über seine Schulter hinweg zuwarf, mit freundlichem Gelächter.
    »Ein Höllenlärm ist das jedes Mal, bis spät in die Nacht«, schnaubte Angelina verärgert. »Jedes Jahr gibt es aufs Neue Beschwerden aus der Nachbarschaft und Petitionen, dieses Fest endlich abzuschaffen. Schließlich ist das hier ein ehrenwertes Viertel! Aber nein, weil der Grund und Boden dem St. John’s College gehört und die Pacht für den Jahrmarkt dessen Schatulle füllt, scheiterte bislang jeder Versuch.«
    Maya und Ralph tauschten einen Blick, ein leises Lächeln, und Maya räusperte sich, gab ganz die professionelle Fremdenführerin. »Das hier ist das St. John’s College«, erklärte sie mit einer Handbewegung nach links, zu den zinnenbewehrten Mauern und den Gebäuden mit spitzen Giebeln und hohen Schornsteinen. Ihr Atem formte sich in der eisigen Luft zu Wölkchen. »Und dort, den Pfad hinter der Mauer entlang, geht es zum Hintereingang des Trinity.«
    »Und welches ist das College Ihres Vaters?«, erkundigte sich Ralph.
    »Das Balliol ist am Ende der nächsten Straße, an der Ecke zur Broad Street«, antwortete Maya und wies geradeaus. »Auf dem Weg in die Stadt kommen wir daran vorbei. Es ist das älteste der zwanzig Colleges der Universität, 1263 gegründet.«
    Ralphs Miene verriet, dass er beeindruckt war. »Zwanzig Colleges …«, überlegte er halblaut und fügte mit einem Auflachen hinzu: »Da muss es ja bald an jeder Straßenecke eines geben!«
    Maya nickte. »Das stimmt. Gerade rund um die Bodleian Library reiht sich eins ans andere: Magdalen, All Souls, Exeter und so weiter.« Als Jonathan gleich darauf seinen Namen rief, drehte Ralph sich zu ihm um.
    »Dort drüben ist der Pub, von dem ich dir erzählt habe.« Jonathan deutete auf ein weiß gestrichenes Haus auf der rechten Straßenseite, unter dessen Dachgiebeln in gotischen Buchstaben ›The Eagle and the Child‹ stand. »Wir haben ja etliche Kneipen in der Stadt, aber Thomas Kerwood hat einfach das beste Bier. Weiß der Himmel, wie er das macht! Vielleicht können wir zwei heute Abend noch auf ein Glas hinübergehen.«
    Der vordere Teil der St. Giles Street war immer noch nobel, aber es mehrten sich die Häuser, die im Erdgeschoss

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