Unter dem Safranmond
für einen kurzen Zwischenaufenthalt im Hafen von Aden, ehe er nach Bombay weiterreisen würde, um sich dort wieder zum Dienst zu melden. Er schrieb aus dem Haus von Dr. John Steinhäuser, einem alten Freund aus der Zeit in Karachi, der neuerdings in der englisch besetzten Stadt am Südwestzipfel der arabischen Halbinsel als Arzt tätig war. Gemeinsam planten sie eine Übersetzung einer Geschichtensammlung unter dem Titel Tausendundeine Nacht ins Englische und träumten davon, sich in die Gegend um Marseille zurückzuziehen, jenem bisschen Afrika in Europa , wie er sich ausdrückte, mit Visionen von einem Landhäuschen, wo wir unsere Tage in Hängematten verbringen und weder Bücher oder Papier, Federn oder Tinte zulassen noch Briefe oder Telegramme – ein Rückzug, der als Rast gedacht ist, um uns auf die endgültige Verkalkung vorzubereiten.
Seine geschriebenen Worte, die ihr in all den Jahren so voller Leben erschienen waren und für Maya zwischen den Zeilen Gefühle, Sehnsüchte und Versprechungen transportiert hatten, klangen für sie nun platt und hohl, auf snobistische Art verbittert. Kein Vergleich zu den Briefen, die sie von Ralph erhielt, in denen er in überschwänglichem Tonfall von seiner Familie erzählte, wie sie seinen achtundzwanzigsten Geburtstag Ende Dezember gefeiert hatten, und über seine Eindrücke von der alten Heimat nach den Jahren der Abwesenheit.
… in Cheltenham und Montpellier sind an jeder Ecke neue Gebäude aus dem Boden emporgeschossen, sodass ich manchmal das Gefühl habe, in der Fremde zu sein. In gewisser Weise trifft das auch zu – wäre mir alles andere nicht doch noch so sehr vertraut … Meine Schwägerin Isabel ist eine ganz famose Person; kaum zu glauben, dass Mutter und sie sich anfangs nicht mochten! Jetzt sind sie ein Herz und eine Seele, und Thomas junior ist schon ein richtiger kleiner Rabauke …
Briefe, in denen er Maya mit Fragen darüber überhäufte, wie es ihr ging, wie sie ihre Tage verbrachte, was sie über den bevorstehenden Krieg dachte. Und dazwischen immer wieder Komplimente eingestreut, zaghaft zuerst, bald wagemutiger:
Stunden, Tage hätte ich Ihnen lauschen mögen, Ihren Schilderungen der Geschichte Oxfords und seiner Bauwerke … Ihre Augen, wie die »Tigerauge« genannten Steine im Sonnenlicht … die Art, wie Sie sich halten und bewegen, anmutig, ohne künstlich zu sein, und dadurch umso betörender …
Auch Jonathan hing schweigend seinen eigenen Gedanken nach. Es war ihm ein Leichtes gewesen, Martha dazu zu bewegen, Maya auch weiterhin den Briefwechsel mit Richard Burton zu erlauben. Ein paar ruhig vorgebrachte Argumente, nüchtern und sachlich, plus ein paar Schmeicheleien, für die sie so empfänglich war, seit sie sich damals als zweite Mrs. Gerald Greenwood bemüht hatte, das Herz des mutterlosen Jungen zu gewinnen, und von einem Verbot oder einem Aushändigen der angesammelten Korrespondenz war keine Rede mehr gewesen. Er hatte es Maya zuliebe getan, weil er wusste, wie viel ihr dieser Kontakt bedeutete, und doch konnte er diesen nicht frei von Skepsis betrachten. Auch wenn er keine Kenntnis vom Inhalt der Briefe hatte, darüber im Unklaren war, was die beiden wirklich miteinander verband, so befürchtete er dennoch, Maya würde es eines Tages bereuen, einer kindlichen Schwärmerei wegen ihr Leben mit Warten vergeudet zu haben.
»Er wird nicht so bald zurückkehren«, sagte er schließlich in die Stille hinein.
Maya schwieg einen Moment, kämpfte gegen Tränen an, die urplötzlich aufstiegen, weil Jonathan mit so unerschütterlicher Sicherheit das ausgesprochen hatte, was sie im Grunde nur zu gut wusste und doch vor sich selbst verborgen gehalten hatte. »Nein«, gab sie leichthin zurück, doch ihre Stimme klang belegt, »wohl sehr lange nicht.« Jonathan nickte bedächtig, mehr zu sich selbst als an seine Schwester gerichtet, stieß sich dann mit einem tiefen Durchatmen vom Stuhl ab und ging zur Tür.
»Jonathan«, rief Maya halblaut, als er den Messingknauf schon in der Hand hatte, und er wandte sich um, zog fragend die Augenbrauen hoch. »Warum können wir Frauen nur etwas aus unserem Leben machen, wenn wir einen entsprechenden Mann heiraten?«
Betreten schaute er zu Boden, hob dann hilflos die Schultern, als er seine Schwester wieder ansah. »Ich weiß es nicht. Vielleicht«, er senkte seine Stimme zu einem Flüstern, »vielleicht weil es zu viele von Angelinas Sorte gibt.« Als er sah, dass Maya als Reaktion auf seinen Scherz nur
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