Unter dem Safranmond
Frankreich und England dem Zaren gestellt hatten, um ihn zum Abzug aus dem Fürstentum Moldau und der Walachei zu bewegen, ging es natürlich um die üblichen Dinge: wer mit wem, wer gegen wen. Wer gestorben war, wer geheiratet und Kinder bekommen hatte. Man sprach über die allgemein schlechte Wirtschaftslage (und jammerte dabei aus taktischen wie aus Höflichkeitsgründen mehr, als nötig war) und vor allem über den beliebtesten Gegenstand von allen: das Wetter. Wie jedes Jahr hatte sich Geralds Schwager Edward Drinkwater nicht lumpen lassen und alles eingeladen, was in und um Oxford Rang und Namen hatte. Sicher auch, um dadurch den Kundenkreis seines Weinhandels zu festigen und zu erweitern, wie Martha Greenwood immer spitz bemerkte. Sie fand, dass Dora als Arzttochter und Professorenschwester weit unter ihrem Stand geheiratet hatte, musste allerdings widerstrebend zugeben, dass das große Haus vor den Toren Oxfords sehr stilvoll war. Maya, die endlich ihren Bruder erspäht hatte, deutete in den mittleren Teil des großzügigen Gartens, zu dem im Vergleich derjenige von Black Hall nicht mehr als ein einfaches Blumenbeet war. »Dort drüben, zwischen Pavillon und Springbrunnen. Grauer Gehrock.« Ihre Tante reckte den Hals. »Und wer ist das da neben ihm? Die Honigblonde in diesem merkwürdigen blauen Kleid? Trägt man das neuerdings so?«
»Das ist Amy Symonds. – Die Tochter von Frederick Symonds aus der Beaumont Street«, fügte Maya auf einen stirnrunzelnden Blick ihrer Tante hinzu.
Der angeschlagenen Gesundheit ihres Gatten wegen war Tante Elizabeth noch vor Mayas Geburt nach Bath gezogen, und nachdem auch die heilenden Quellen und ortsansässigen Spezialisten nicht hatten verhindern können, dass George Hughes doch das Zeitliche gesegnet hatte, war sie einfach in dem mondänen Kurort wohnen geblieben. Auch wenn sie bei jeder möglichen wie unmöglichen Gelegenheit darüber stöhnte, wie hoch die dortigen Lebenshaltungskosten seien. Nur zu sorgfältig ausgewählten Familienfeiern fand sie noch den Weg zurück nach Oxford, nicht zuletzt, um sich mit dem Klatsch ihrer Geburtsstadt auf den neuesten Stand zu bringen. »Ach schau an«, staunte sie nun. »Gute Familie! Das würde Martha aber glücklich machen … Gibt es eigentlich in der Beaumont Street die beiden Misses Hickman noch? Und würdest du mich jetzt bitte endlich deinem Lieutenant vorstellen?«
»Ja, Tante«, lachte Maya und ging mit ihr hinüber. »Tante Elizabeth, darf ich dir Lieutenant Ralph Garrett vorstellen? Ralph, das ist meine Tante, Mrs. Hughes.«
»Sehr erfreut, Mrs. Hughes.« Ralph beugte sich über die schwarz behandschuhten Finger Tante Elizabeths.
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Mr. Garrett«, girrte sie und nickte knapp seiner Begleitung zu. »Angelina.« Mit einem verkniffenen Lächeln knickste Mayas Schwester, doch Tante Elizabeth nahm kaum Notiz von ihr, wandte sich sogleich wieder Ralph zu. »So, Sie logieren derzeit in Black Hall, wie ich höre. Und als hätten Sie dort noch nicht genug von uns Greenwoods, schleppt man Sie auf dieses Fest mit, wo Sie gleich der kompletten Sippe reihum vorgestellt werden.«
»Es ist mir eine Ehre, hier als Gast willkommen zu sein, Mrs. Hughes«, erklärte Ralph mit einer leichten Verbeugung. »Und zuvorkommender und freundlicher als in Black Hall kann man wohl kaum irgendwo sonst aufgenommen werden.«
Offensichtlich hatte Ralph exakt die richtigen Worte gewählt; das konnte Maya am Gesicht ihrer Tante, an der Art, wie sie ihren Fächer auf- und zuschnappen ließ und ihr Blick zwischen Ralph und Maya hin- und her wanderte, ablesen. »Nun, Mr. Garrett, ich würde mich sehr gerne weiter mit Ihnen unterhalten, aber mir wird es hier draußen doch ein wenig frisch. Wären Sie so freundlich, mich ins Haus zu begleiten? Maya, bring mir doch bitte eine Tasse Tee und ein Stück Zitronencremetorte in den Salon! Den Tee mit Milch und ohne Zucker. Oh, und Angelina, Schätzchen: Deine Cousine Mabel hat dich vorhin gesucht. Sie müsste dort hinten bei den Rhododendren sein.« Als Angelina noch zögerte, gab Tante Elizabeth ihr mit dem Fächer einen zarten, flatterigen Klaps auf die Schulter. »Lass sie nicht warten, das ist unhöflich, sie gehört ja zu unseren Gastgebern. Geh schon, geh!« Beleidigt trottete Angelina durch den Garten und drehte sich immer wieder zu Ralph um, der in Richtung Veranda schlenderte, an seinem Arm eine äußerst vergnügt wirkende Tante Elizabeth.
»Danke, mein Engel«,
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