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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Zeit von den Schrecken des Krieges abzulenken, denen er tagtäglich ins Gesicht sah, während sie selbst nur das davon wusste, was die Korrespondenten in den Zeitungen darüber schrieben und was Ralph an Informationen mit in den Bungalow brachte. Und bei allem Detailreichtum blieben diese Schilderungen für sie seltsam flach und farblos; vielleicht, weil das, was in und um Sebastopol geschah, zu schrecklich war, als dass man von außen eine greifbare Vorstellung davon bekommen konnte. Doch Maya verfasste diese Briefe auch für sich selbst, konnte sie sich doch so das Leben in Aden erschreiben, das sie sich erträumt hatte, aber nicht lebte. Es waren keine Lügen, die sie niederschrieb, zumindest nicht in ihren Augen. Sondern besonders bunt kolorierte Schilderungen ihres Alltagslebens, der Plätze, die sie auf ihren Streifzügen durch Aden sah, den Menschen, denen sie begegnete. Menschen, die ihr zu ihrem eigenen Erstaunen offen begegneten, sich freuten, wenn sie sie in ihrer Sprache anredete, so fehlerhaft ihr Arabisch auch noch war, mit ihr über das Wetter schwatzten oder ihr Feigen und Datteln in die Hand drückten. Keine Begebenheit schien ihr zu gering, um sie in den Briefen zu erwähnen: Wie sie von ihrer Veranda aus den Schrei eines Vogels gehört hatte, der so anders klang als die der Milane und Krähen, die am stählernen Himmel ihre Kreise zogen, und der zu einem schneeweißen Falken gehört hatte, der sich aus dem Inneren des Kraters aufgeschwungen und über den schwarzen Felsgrat geglitten war, beeindruckend in seiner schwerelosen Eleganz. Von einheimischen Männern, die ihr aus der Ferne aufgefallen waren, mit auch im bunten Stadtbild Adens fremdartiger Kleidung, blauschwarz eingefärbt, in langen Hosen, weit wie Röcke, und Stiefeln, die unglaublich schöne, edle Pferde am Zaumzeug durch die Straßen geführt hatten.
    Was sie jedoch nicht erwähnte, waren die Dinge, die sie bedrückten, und auch das tat sie ebenso um Jonathans willen wie für sich selbst. Es war schlimm genug, dass sie und Ralph sich zunehmend entfremdeten, kaum mehr das Nötigste miteinander sprachen, weil es einfach nichts zu reden gab. Dass er vergangene Woche erst mitten in der Nacht nach Hause gekommen war, nach einem billigen, moschusähnlichen Parfum riechend. Verbissen hatte Maya Fragen und Vorwürfe hinuntergeschluckt, sich schlafend gestellt, wenn auch stumme Tränen später in ihr Kissen geflossen waren. Sie hatte nicht noch eine heftige Auseinandersetzung heraufbeschwören wollen; Streitereien waren zwischen ihnen so häufig geworden, entzündeten sich zumeist an winzigen alltäglichen Kleinigkeiten, ja Nichtigkeiten, gefolgt von halbherzigen Versöhnungen. Aber inzwischen gab es nicht einmal mehr diese, weil Ralphs körperliches Verlangen nach ihr abgekühlt zu sein schien, was ihr nicht einmal fehlte und was sie doch als Versagen ihrerseits betrachtete. Sie schrieb auch nicht davon, dass sie schließlich mutig und in ihrem besten Kleid bei Lieutenant Playfair selbst vorgesprochen hatte, um ihm ihren Plan zur Gründung einer Schule vorzustellen, worauf dieser sie hochnäsig abgefertigt hatte, was sie denn bitte mit einheimischen Kindern zu schaffen hätte? Englische Kinder gingen selbstverständlich auch in England zur Schule, sobald sie alt genug seien, und ob es nicht an der Zeit sei, dass sie für eigenen Nachwuchs sorgte? Und wie er oder der Kaplan denn dazu kämen, eine Frau zu unterrichten?
    Nichts davon, dass sie zwei Monate lang auf ein Kind hatte hoffen dürfen, ehe ihre Blutung besonders stark doch noch zurückgekehrt war und sich seither keiner Verzögerung schuldig machte; nicht, dass Maya das Gefühl hatte, ebenso unfruchtbar zu sein wie das Gestein des Kraters und ebenso nutzlos. Deshalb schrieb sie auch ebenso wenig über die Leere ihres Daseins und die Langeweile wie über ihr Gefühl, durch eine Glaswand von den anderen Bewohnern Adens getrennt zu sein, gleich ob Engländer, Bengalen oder Araber, und dass ihr altvertrauter Alptraum zurückgekehrt war. Und auch nicht über ihr Warten darauf, dass etwas geschehen mochte, das so viel unerträglicher war als ihr Warten seinerzeit in Black Hall. Weil es in Aden nichts Nennenswertes gab, mit dem sie sich zerstreuen konnte, weil sie einsam war und weil Ralphs Erscheinen in ihrem Leben, das Drama, das darauf gefolgt war, sie nur weiter zurückgeworfen hatte auf diese Position duldsamen Wartens.
    Deshalb freute sie sich selbst jede Woche aufs Neue, Jonathan zu

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