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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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hintergründige Art. Zu spät , dachte sie bitter, viel zu spät. Jetzt kam er auf sie zu, nun, da sie verheiratet war und er keine Verpflichtung zu einer solch gesetzlichen Bindung mehr fürchten musste. Als sie ihn wieder ansah, waren ihre Augenbrauen zusammengezogen, und ihre Stimme klang heiser, mit einem drohenden Schwingen darin. »Mag sein. Vergiss aber nicht, dass ich die Ehefrau eines anderen bin.«
    Richard lachte höhnisch auf. »Eines Mannes, der dich nicht glücklich macht. Der es gar nicht kann , weil sein Horizont nicht weit genug reicht, um dich zu verstehen. Um das zu erkennen, braucht es nur wenige Blicke und einen kurzen Wortwechsel mit ihm. Allah möge dich beschützen ab dem Tag, an dem er herausfindet, wer die Frau wirklich ist, die er da geheiratet hat.«
    Maya schwieg; das Paket wie einen Schutzwall vor sich haltend, wandte sie ihr Gesicht ab, doch Richards Stimme, die plötzlich samtweich wurde, drang bis tief in ihre Seele. »Sag mir, Majoschka, wie kommt es nur, dass du jedes Mal noch unglücklicher aussiehst, wenn wir uns begegnen?«
    Sie zuckte mit einer Achsel, hilflos und trotzig, und ihr Gesicht spiegelte ihren inneren Aufruhr wider, den Kampf gegen ihre Tränen. » Kismet? «, kam ihre Gegenfrage, künstlich in ihrer Koketterie und hilflos vor Enttäuschung.
    »Du liebst ihn nicht, Maya«, stellte Richard nüchtern fest. »Genauso wenig wie mich. Du liebst nur das, wofür er und ich stehen – für die Fremde, den Orient und das verlockende Abenteuer. Das habe ich auf dieser Reise nach Harar begriffen, während ich über dich nachgedacht habe. Im Volksmund nennt man Aden auch »das Auge Arabiens«. Ich wünschte, es würde dich lehren, endlich deine Augen zu öffnen und klar zu sehen.«
    Heller Zorn brandete in Maya auf, schlug über ihr zusammen. »Was weißt du schon von Liebe?!«, schleuderte sie ihm entgegen. Nun war es an Richard, seinen Blick zu senken, während er unaufhörlich mit seinem Hut spielte.
    Dies wäre vielleicht der richtige Moment gewesen, von indischen Frauen zu erzählen, mit pechschwarzem Haar und Haut wie Seide; vom Zauber der Somalifrauen mit ihren großen dunklen Augen, ihrer samtigen braunen Haut, die wirkten, als seien die steinernen Schönheiten des antiken Ägyptens zu Fleisch geworden – von all den Frauen, die er auf den verschiedenen Kontinenten geliebt und besessen hatte, um eine andere Liebe zu vergessen, der alle ähnelten, ihr jedoch niemals gleichkamen. Einer alten Liebe, die doch so jung war. Viel zu jung und viel zu groß in der Macht, die sie über ihn ausübte, berauschender und verhängnisvoller als Alkohol, Opium, Haschisch und alle Drogen, die er in seinem Leben gekostet hatte.
    Doch stattdessen setzte Richard Francis Burton seinen Hut wieder auf, zog ihn tief ins Gesicht, dass der Schatten der Krempe seine Augen verbarg. »Weißt du«, sagte er mit rauer Stimme, »Männer, die sich auf die Suche nach dem Ursprung eines Flusses machen, suchen in Wahrheit nach dem Ursprung von etwas anderem, das ihnen selbst schmerzlich fehlt, obwohl sie wissen, dass sie es niemals finden werden.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging, schlenderte die breite Straße hinab, eine Hand in der Hosentasche vergraben, während er mit der anderen einen Ponykarren heranwinkte.
    Maya sah ihm nach. Ein Zittern stieg in ihr auf, das sie nicht kontrollieren konnte, das ihren Körper beherrschte. Sie hasste ihn. Dafür, dass seine Bemerkungen sie immer wieder bis ins Mark trafen, bevor er sie dann damit allein ließ.

7
     Assistenzarzt Jonathan Greenwood hauchte in seine kaltgefrorenen Hände, um sie wenigstens etwas anzuwärmen, knetete und massierte sie, um wieder ein Gefühl für sie zu bekommen.
    Vor ein paar Tagen war das Thermometer gestiegen, hatten mildere Temperaturen die Soldaten von einem baldigen Ende dieses schrecklichen, tödlichen Winters träumen lassen. Wenn auch das Tauwetter den Boden in einen schlammigen Morast verwandelt hatte, der einem nach ein paar Schritten die Stiefel auszog. Kaum war der Untergrund dann getrocknet, hatte Jonathan die günstige Gelegenheit genutzt, sich ein bisschen außerhalb des Lagers die Beine zu vertreten und frische Luft zu schnappen. Als er über die Hügel gewandert war, hatte er eine Ahnung davon gewonnen, welch schönes Land die Gegend um Sebastopol vor dem Krieg gewesen sein musste: grün und sanft, ehe Schützengräben gezogen worden waren und man ganze Wälder aus strategischen Gründen wie für Nutz-

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