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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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Trubel in der Stadt, man muss nicht aus allem gleich eine Riesensache machen, es kracht doch sowieso an allen Ecken und Enden, politisch gesehen, meine ich. Wobei, wie ich schon sagte, der Effekt einer solchen Tat … wie soll ich sagen? Erst mal: Wer sollte politisch was davon haben, wo doch alle Parteien hier im Rathaus ihre Leute haben? Und dann ist ja auch noch die Frage, was es bringen soll, wenn hier der Keller ausbrennt. Aber vielleicht hat der Holländer ja auch nur geübt. Im Reichstag hat’s besser geklappt, aber da soll ihm jemand zur Hand gegangen sein – das haben Sie jetzt gar nicht gehört. Abgesehen von … Na bitte, da geht’s schon wieder los. Also dann, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps …«
    Das Schloss war nur wenige Straßenecken und eine Brücke entfernt. Zwischen neunzehn und zwanzig Uhr war der Holländer da langgegangen. Es war schon dunkel gewesen. Trotzdem natürlich jede Menge Leben und Großstadtverkehr, hier im Zentrum der Stadt, und diese öffentlichen Gebäude werden ja angestrahlt. Klara sah den Schatten van der Lubbes vor sich, wie er sich im Schein der Straßenlampen nähert und auf der beleuchteten Fassade wie in einem expressionistischen Stummfilm seine Ausmaße vervielfacht, die Proportionen verzerren sich wie bei einer dämonischen Prophezeiung aus dem Hause Caligari, breitet sich über die ganze Schlossfassade aus, schwarze Flammen züngeln, dann eine Explosion, ein Schrei, flackerndes grelles Feuer, Hilferufe, eine angstvolle Silhouette, die am Fenster auftaucht, der Sprung in die Menge, Tränen, Hysterie und ein entschlossener Held, der den Täter stellen will und dem Wahnsinn verfällt …
    Was für Gedanken! Aber gehöre ich nicht zum Feuilleton der Times ? Wobei ich mir als Britin einen zurückhaltenderen Stil angewöhnen sollte, zumal, wie sich jetzt herausstellt, kein Anlass besteht, die Angelegenheit allzu dramatisch zu beschreiben.
    Ein Feuerwehrmann hatte genügt, den Anschlag auf die ehemalige kaiserliche Residenz zu vereiteln.
    »Ich bin auf Kontrollgang gewesen und habe im fünften Stock in einem Raum ein kleines Feuer entdeckt. Es gelang mir, den Brandherd mit Hilfe eines Feuerlöschers zu ersticken. Eine Arbeit, die schnell erledigt war. Großer Schaden war nicht entstanden. Allerdings stellte sich später heraus, dass es durchaus zu einem Brand größeren Ausmaßes hätte kommen können, wenngleich der oder die Täter nicht systematisch vorgegangen sind. Offenbar sind sie, jetzt heißt es ja, es sei nur einer gewesen, über das Gerüst an der Westseite hochgeklettert. Es wurde an verschiedenen Stellen gezündelt, Streichhölzer und Reste von Kohlenanzündern hat man gefunden.«
    »Hat denn niemand bemerkt, dass da einer über das Gerüst gegangen ist?«
    »Warum sollen sich Passanten um so was kümmern? Sogar der Souvenirverkäufer von gegenüber, der sich hier ein bisschen auskennt, hat gedacht, als er einen undeutlichen Schatten sah, der sich nach oben bewegte, dass da ein Arbeiter zu tun hat. Alarmiert war der nicht. Und wir hier sind es ja auch jetzt erst, nachdem das mit dem Reichstag passiert ist und es heißt derselbe Täter. Vorher war das für uns eher eine kleinere Sache.«
    Zum Reichstag war es jetzt nicht mehr weit. Über die Linden zum Pariser Platz zwischen den sich drängenden Passanten hindurch. Ein sehnsüchtiger Blick in die Friedrichstraße, drüben in der Leipziger könnte sie sich einen neuen Anzug besorgen, und elegantere Schuhe. Aber das werden die Genossen nicht gutheißen … wenn sie denn je eine Abrechnung über die Spesen bekommen.
    Es dämmerte, als Klara am Reichstag ankam. Das Gebäude, das man »dem deutschen Volke« gewidmet hatte, war nun also im Kern ausgebrannt. Vor allem war es ein Klotz. Dievielen Säulen und die breiten Türme an den vier Ecken täuschten eine Art Palast vor, der aber so wuchtig wirkte wie eine Festung und trotz der vielen Fenster wie ein Gefängnis. Ein kommunistischer Abgeordneter aus Hamburg hatte einmal seinen persönlichen Hass auf dieses architektonische Monstrum zum Ausdruck gebracht, in dem er sich »wie ein Zögling in einem Asyl zur Knechtung der Volksvertreter fühlt, in einer Kaserne des Amtsschimmels, wo dem freien Geist durch dicke Mauern der Zutritt verwehrt wird«. Die deutsche Räterepublik, so hatte der Genosse hoffnungsfroh geäußert, würde hoffentlich ein passenderes Haus für die Vertreter des befreiten Proletariats errichten.
    Einstweilen war hier die Glaskuppel

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