Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Brandanschlag auf sich gehabt habe, wussten die meisten nichts zu sagen. Zwei oder drei glaubten gehört zu haben, dass es jemand von den Arbeitslosen gewesen war, die einen Tag zuvor versucht hätten, das Amt zu stürmen.
Ein etwas älterer Mann, der mehrmals neugierig vorbeigegangen war und Klaras Gespräche mit den Männern offenbar interessant fand, wusste mehr, gab zögernd einiges preis und schaute sich immer wieder um.
»Der Brandanschlag, das stand auch in der Zeitung, soll ja von dem Holländer begangen worden sein, den sie im Reichstag verhaftet haben. Das glaube ich nicht. Was wollte der denn mit dieser Bretterbude? Üben? So ein Unsinn! Es kommt doch keiner extra aus Holland, um so ein mickriges Amt abzufackeln. Aber es wird halt ne Menge zusammengefaselt in den Zeitungen. Ich meine, das war bloß eine Racheaktion … man kann’s auch keinem verdenken, der da drin mal um ein paar olle Klamotten für die Kinder oder Geld für die Suppenküche gebettelt hat … Ich hab mal versucht, für eine Nachbarin, eine alte Frau, die nicht mehr gehen konnte, Holz und Kohle über das Amt zu organisieren. Da wurde nichts draus, nicht mal ne Decke wollten die rausrücken bei der Kälte, sie solle selber kommen, hieß es. Wegen der Gicht konnte sie ja nicht mehr schreiben, nur so’n Krickelkrackel, und das haben die als Unterschrift nicht anerkannt … Wird Sie jetzt nicht interessieren, diese Geschichte … die Frau ist dann in ihrer eigenen Wohnung erfroren. So läuft das hier, die haben kein Mitleid, deshalb kriegen sie den Hass der Leute zu spüren, deshalb sind auch immer Polizisten im Amt. Also meine ich, es war Rache. Bestimmt nichts Großes und auch nicht sehr politisch. Es ging um einen Selbstmord. Also, es hat sich einer aufgehängt, den die da drin abgekanzelt haben, als er nicht mehr wusste, wie er seine Familie am Leben erhalten soll. Der ist verzweifelt … kann man verstehen, andererseits hat die Fraujetzt die Kinder allein am Hals und die Verwandten freuen sich auch nicht, dass sie teilen müssen. Einen hat es aber richtig gefuchst, der hat sich alle Tage vor das Amt hingestellt und dazu aufgerufen, die Beamten fertigzumachen … frag mich nicht wie. Auch bei ›Schlaffke‹, das ist ne Kneipe, hat er krakeelt. Ich glaube, es war sein Schwager, also der Schwager von dem, der Selbstmord begangen hat. Aber Schwager … was hier so alles als Schwager durchgeht … Wenn er verwandt war, hätte er sich vielleicht besser um die Kinder gekümmert als um seine Rache, aber die wollte er unbedingt.«
Der Mann nahm, kaum dass er seine Zigarette aufgeraucht hatte, eine neue an. Klara hatte den Eindruck, dass er gern etwas weiter ausholte, weil dann vielleicht noch eine Manoli heraussprang.
»Er, also der angebliche Schwager des Selbstmörders … das ist übrigens so einer, der sowieso immer das große Wort führt bei Schlaffke … da in der Kneipe … Gerüchte gab’s übrigens sogar in die Richtung, dass sich da ein paar Leute bewaffnen wollten, um das Amt zu stürmen … aber das hat die Polizei wiederum rausbekommen, und die haben sie abgefangen. Dann hieß es: Pistolen, Messer, Eisenstangen, sogar Granaten und was nicht alles, inklusive Flugblätter von den Roten … heutzutage weiß keiner, woher solche Behauptungen kommen und was da überhaupt dran ist. Die Amtsschimmel jedenfalls haben sie nicht übern Leisten gezogen … Ein paar Tage später wurde behauptet, jemand hätte versucht, die Bude anzuzünden. Mich würd’s auch nicht wundern, wenn einer von den Fettsäcken da drin seine Zigarre versehentlich in den Papierkorb mit den abgelehnten Anträgen geschmissen hat, statt in den Aschenbecher. Aber fragen Sie mal die Jüngeren, irgendeiner erzählte, er hätte den Holländer vom Reichstag erkannt und der hätte hier mit den jungen Leuten vorm Amt rumgestanden und versucht, sie zu irgendwelchen Sachen anzustiften … Was weiß ich … Siehst du ein Bild in der Zeitung von einem, der was aufm Kerbholz hat, denkst du gleich, du bist doch gestern mit ihm in der Straßenbahn gefahren oder hast ihm an der Ecke Feuer gegeben …apropos, haben Sie noch eine Zigarette? … Ich muss jetzt aber weiter.«
Klara suchte weiter in gewissem Abstand zum Amt nach Zeugen. Sie stieß auf drei junge Männer, die untereinander Päckchen austauschten. Irgendwas in Pergamentpapier eingewickelt, das konnten auch einfach nur Stullen sein. Klara fragte, ob sie Lubbe, den Brandstifter, gekannt hätten. Die Männer wollten
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