Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Röhm und Konsorten mit Geschenken überhäuften.« Rinke schlug empört mit der Faust auf den Tisch. »Was sind das für dreckige Lügen!«
»Wer behauptet denn so was?«
»Kommunistische Auslandspresse. Es ist zum Kotzen, aber typisch für deinen Verein.« Er deutete anklagend mit dem Löffel auf Klara.
Ihr fiel nichts dazu ein.
»Er hatte Freunde hier in Berlin, Genossen, die uns nahestehen … jedenfalls ihm …« Er blickte seinen Gastgeber an. »Die haben Verbindungen nach Holland und dort weiß man schon ganz genau, wie der Hase läuft und wer auf ihn schießt …«
»Wenn es heißt, ein Halbblinder klettert in den Reichstag und fackelt ihn in wenigen Minuten mit ein paar Kohlenanzündern ab, dann bin ich auch skeptisch«, warf Klara trotzig ein.
»So? Wenn die Gralshüter der Revolution aus einem Mann der Tat, der zum Aufstand aufruft, einen Kollaborateur aus niedersten Motiven macht … eine bezahlte Nazi-Hure, dann werde ich wütend!«
»Was weißt du denn schon von diesem Holländer?«, fragte Klara.
Genosse A, in dessen Gesicht Verunsicherung und Unbehagen geschrieben standen, erhob sich hastig und ging in die Kochecke, wo er sich an einem Laib Brot zu schaffen machte.
»Ich weiß, was er getan hat!«, rief Rinke. »Und was er danach gesagt hat!«
»Nicht so laut«, mahnte sein Freund.
»Er wollte das deutsche Proletariat zum Kampf gegen die Hitlerei aufrufen … Eben das, was deine Partei versäumt hat … wo man sich auch schon fragen kann, wieso. Wie kann denn eine Organisation so schlecht organisiert sein, dass sie sang- und klanglos untergeht?«
»Wir sind für den illegalen Kampf gerüstet«, erklärte Klara verbissen. »Im Übrigen kann man sehr wohl auf den Gedanken kommen, dass dieser van der Lubbe ein Instrument der Faschisten ist, immerhin hat seine Tat die Jagd auf die Arbeiterparteien provoziert … eine willkommene Provokation! Wir wissen ja, dass die Pläne zu dieser Hatz schon lange in Hitlers Schublade lagen …«
Rinke, jetzt schon etwas ruhiger, schüttelte den Kopf: »Nein, nein …«
»Gut«, sagte Klara. »Gehen wir also mal davon aus, er wollte zum Kampf gegen die Nazis aufrufen … konnte er sich nicht denken, dass er mit dieser Tat das Gegenteil bewirkt?« »Die sogenannten Arbeiterparteien bewirken schon seit Jahren das Gegenteil«, warf Genosse A ein und legte das Brot auf den Tisch.
Eine Weile aßen sie schweigend ihren Eintopf. Nach dem Essen ging Rinkes Freund los und holte ein paar Flaschen Bier.
»Ich bin Reporterin«, sagte Klara, »Ich werde nicht lügen, egal, was ich herausfinde.«
»Vielleicht wirst du das sogar versuchen, aber …«, lenkte Rinke ein.
Klara schnitt ihm das Wort ab: »Bring mich mit den Leuten zusammen, mit denen van der Lubbe hier in Berlin zu tun hatte.«
Das Wohlfahrtsamt, bei dem die Arbeitslosen in Neukölln Unterstützung beantragen konnten, war nur eine einstöckige Holzbaracke in der Nähe eines Friedhofs. Klara stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite und fragte sich, was den Holländer wohl dazu bewogen hatte, dieses mickrige Gebäude anzuzünden. Viel passiert war anscheinend nicht. Es war wirklich rätselhaft, wie ungezielt und ineffizient dieser Mann gehandelt hatte – oder steckte ein Plan dahinter, den sie nicht begriff?
Vor der Baracke hatte sich eine Schlange von Wartenden gebildet, Männer, Frauen und einige Kinder, denen man ansah, dass sie völlig verarmt waren. Klara bemerkte einen Polizisten, der gelegentlich aus dem Amt trat, die Menschen begutachtete und seinen Blick über die nähere Umgebung schweifen ließ, dann verschwand er wieder. Um sich dem Beamten nicht als willkommenes Ziel zu präsentieren, verlegte sich Klara darauf, an einer Ecke den einen oder anderen Arbeitslosen abzufangen, indem sie ihm eine Zigarette anbot, sich als ausländische Reporterin zu erkennen gab und Fragen über den Brand im Wohlfahrtsamt zu stellen versuchte.
Die meisten waren desinteressiert und liefen vorbei. Einige hielten sie offenbar für einen Mann. Manche Männer wiederum schienen zu glauben, sie stehe da, um anzuschaffen, und reagierten anzüglich. Als die Frauen das bemerkten, gab es empörte Bemerkungen in ihre Richtung. Ein paar jüngere Männer allerdings nahmen dankbar eine angebotene Zigarette an und redeten mit ihr.
Die meisten klagten, dass es sehr schwer sei, Geld- oder Sachleistungen zu bekommen, die Beamten seien abweisend, bürokratisch und hochnäsig. Auf die Frage, was es denn mit diesem
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