Unter dem Schwertmond
Grozza, dass er sich in Deneba befand, der Stadt der Ausgestoßenen. Er erfuhr aber auch, dass sich die Ausgestoßenen, einst noch Menschen aus dem Süden, zu verändern begannen.
Daraufhin änderte er auch seinen Namen. Er nannte sich Aszorg .
Auch sein Körper veränderte sich. Im Lauf der Zeit schwang er sich zum Herrscher der Geisterstadt auf.
Aber er herrschte nur über Kreaturen, Felsen, versteinerte Pflanzen und die gelegentlichen Opfer, die man ihm brachte. Die Welt, die es außerhalb von Deneba noch gab, zog an Aszorg und seinen schauerlichen Kreaturen vorbei, als sei sie hinter einem Schleier verborgen oder hinter einer riesigen Staubwolke.
Trotzdem schlief er fast nie. Er wartete auf neue Opfer.
*
Einst hatten sich die Länder Rousund, Nordalia und Gomaliland zusammengeschlossen. Ihre Herrscher hatten sich gewehrt gegen die Eingliederung ins Shalladad, ins Reich des Gottkönigs – aber vergeblich. Gorounor, so hatten sie dieses neue Land geheißen. Seit vier Generationen gehörte Gorounor fest zum Shalladad. Jenseits der Grenze zu Jahand führte der Weg nach Hadam durch Inshal, aber er zweigte von der Straße nach Logghard ab und krümmte sich nach Westen.
Stunde um Stunde zog die große Gruppe von Luxons Männern und Tieren entlang der Karawanenstraße. Ununterbrochen zeigte das Land andere Gesichter. Karge Felder wechselten ab mit kleinen Oasen. Ein winziger Kanal führte Wasser aus den Bergen. Wieder gab es nur Sand und Felsen, und die Straße war durch Haufen aufeinandergeschichteter Steine markiert und durch Holzstangen, die ihrerseits in Gestein festgekeilt waren. Fast auf jeder Stange steckte ein Schädel; hier ein Orhakokopf, gänzlich skelettiert, dort ein Rinderschädel mit mächtigem Gehörn, Menschenschädel und gebleichte Knochen. Die Karawane hatte sich auseinandergezogen, weil die Straße schmal und halsbrecherisch war.
Algajar lenkte, als es die Breite der Sandpiste endlich zuließ, sein Orhako neben das Pferd, auf dem Luxon saß. »Du hast Kundschafter ausgeschickt, hörte ich?« fragte er.
»Das Gebiet«, sagte Luxon unbewegten Gesichts, »soll gefährlich sein. Du hast selbst erlebt, wie wichtig ein starker Flankenschutz ist.« Er ließ nicht erkennen, dass er ziemlich genau wusste, an welcher Stelle ein fast unkenntlicher Pfad nach Deneba abzweigte.
Algajar nickte zustimmend und dachte bei sich, dass auch die Späher nichts würden ausrichten können. Was nicht einmal Hodjaf wusste – er selbst war mit Aszorg befreundet. Der dämonisierte, von andauerndem Blutrausch befallene Herrscher der Geisterstadt war ihm verpflichtet. »Wir sollten nicht mehr sehr lange bis Hadam brauchen. Deine Karawane ist gut ausgestattet!« bemerkte Algajar trocken. »Du scheinst mit Überfällen gerechnet zu haben?«
»Wer sein eigenes Grab schaufelt«, entgegnete Luxon mit einem feinen Lächeln, »weiß wenigstens, wo er zu liegen kommt.«
»Klug gesprochen. Je mehr wir uns Hadam nähern, desto mehr Vogelreiter sind zu treffen. Sie werden uns schützen.«
»Ich ziehe es vor, mich selbst zu schützen«, versicherte Luxon. »Trotzdem ist es gut, dies zu erfahren.«
Hinter Kalathee ritt Prinzessin Nohji. Sie hatte vorübergehend ihr Zelt verlassen und saß im Sattel eines Reservepferds. Die Krieger Luxons verfolgten sie mit gierigen Blicken. Sie war neben Kalathee die einzige Frau der langen Karawane. Kalathee selbst wagte niemand anzurühren, denn sie war die Geliebte Luxons, dem jeder Krieger dieses Zuges bedingungslos gehorchte. Wenn Algajar bemerkt hatte, dass eines der Lastendiromen fehlte, so ließ er es sich nicht anmerken.
Abermals kreuzte, einen halben Tag später, die Karawane einen Streifen landwirtschaftlichen Gebiets. Die ärmlichen Behausungen der Bewohner waren halb in den Felsen geschlagen, halb aus rohem Stein erbaut. Hier gab es außer Wasser nichts zu holen. Sträucher und karge Bäume unterbrachen die gelben und braunen Farben der Hügel, Felsen und Steine. Es wurde dunkler, und weit hinter den Hügeln schimmerte ab und zu ein geheimnisvolles Glimmen auf. Algajar wusste, dass es das Leuchten Denebas war.
Eine Weile später fragte Algajar: »Du kennst den Lauf der Straße nach Hadam?«
»Nicht ganz genau. Mein Pfader hat jedoch Zeichen gesetzt. Wir folgen seit einiger Zeit diesen Zeichen.«
Der Mann mit dem narbigen Gesicht zuckte unmerklich zusammen. Diesen Umstand hatte er nicht bemerkt. Luxon wusste, dass sie auf jeden Fall während der Dunkelheit die Geisterstadt
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