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Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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wissen, was du willst.«
    »Diesmal glaube ich es fest zu wissen!« bestätigte Luxon.
    »Auf nach Deneba!« sagte Socorra lustlos und stand auf. Als er das Lager verließ und auf die Posten zuging, sah er, wie das Orhako langsam auf die anderen Tiere zutrottete. Auch jetzt hatte sich Algajar so geschickt über den Tierkörper gelegt, dass niemand den Reiter sah.
    Im ersten Licht des Tages brachen die Reiter mit dem schweren Lastenvogel und den Reservepferden auf. An der Spitze des kleinen Zuges ritt Socorra. Er hielt sich unnatürlich gerade im Sattel. Wer ihn genauer kannte, wusste, dass es ein sicheres Zeichen dafür war, dass er sich vor etwas Unbekanntem fürchtete. Luxon sah dem kleinen Zug lange nach. Dadurch, dass er seine kleine Streitmacht in zwei ungleiche Teile aufgespalten hatte, waren beide Teile viel verwundbarer geworden.
    *
    Der Xandor wollte einschlafen, denn die Last der Müdigkeit hatte sich seines Körpers bemächtigt. Aber die Gier, zusammengesetzt aus Hunger, Leidenschaft und einer unbestimmten Sehnsucht nach Worten, Gesten und Gemeinsamkeit, ließ die Kreatur nicht einschlafen. Das Leuchten, das über Deneba lag, wurde schwächer. Der Morgen nahte, der Tag kam mit seinem unbarmherzigen Licht und der trockenen Hitze.
    Deneba, die Stadt der Geister, lag abseits der schmalen Wege und Pfade zwischen Süden und Norden.
    Die Blöcke der Felsen mit den zahllosen Löchern, Spalten, Höhlen und Rissen waren vor Ewigkeiten entstanden. Leichtes Gestein, von einem urweltlichen Vulkan ausgeworfen und in den flachen Ursee geschleudert, hatte sich verändert, indem es unter der Einwirkung von feurigen Gasen und kochendem Wasser aufschäumte und sich absetzte. In dem Ursee entstanden Türme und brückenartige Gebilde, Höhlen und Formen, die wie die Häuser phantastischer Schnecken aussahen. In den folgenden Zeiten verdunstete der See. Die mächtigen Bäume wurden trocken, die Blätter wirbelten mit den Stürmen davon, und als der Schatten der Dunkelzone auf den längst ausgetrockneten See und dessen steinige Ufer fiel, starben alle Gewächse. Die Bäume versteinerten, ihre Astspitzen brachen ab und verwandelten sich in Staub. Als dann der Sand seine erbarmungslose Herrschaft über das Land antrat, flüchteten sich die ersten Verstoßenen, Verkrüppelten und jene mit den faulenden Gliedmaßen in die Höhlen und Gänge des Gesteins. Lange Zeit verging in der Enklave der Entrechteten.
    Eine Nacht des Schreckens brach unmittelbar herein, als der Himmelsstein fiel.
    Es war lang vor der Zeit des Xandors. Der Wind riss plötzlich ab. Totenstille breitete sich über dem Tal aus, das wie eine flache Schüssel geformt war, umstanden von den versteinerten Bäumen und ausgefüllt mit den skurrilen Türmen aus Stein. Am Himmel erschien ein dünner, greller Streifen, dann fauchte ein heißer Lufthauch auf. Der Streifen wurde länger, greller und gleißender. An seiner Spitze erschien eine feurige Kugel.
    Der Himmelsstein glühte auf wie die Sonne, wurde größer und heller in seinem schrecklichen Glanz. Es war, als würden sich Tausende lautloser Blitze über dem Tal austoben. Dann, mit einem ungeheuren Schlag, trafen der Himmelsstein und die große Düne in der Mitte des toten Sees zusammen.
    Die Lichterscheinung riss ab. Ein ungeheurer Donnerschlag ertönte, der alle Wesen rundum taub machte. Eine Welle von furchtbarem Druck tötete jedes Lebewesen, eine Feuersäule stieg senkrecht in die Luft, ein Wirbelsturm schleuderte jedes einzelne Sandkorn aus dem Tal heraus und in die kochende, brennende Luft. Noch immer bebte die Erde. Ein weißglühender Krater, dreißig Mannslängen tief und mindestens ebenso groß, war im Mittelpunkt des Tals erschienen. Das Glühen breitete sich im Lauf der Zeit aus, erfasste die zersprungenen Steine, die Höhlen und die versteinerten Gewächse. Es legte sich wie eine Glocke über das Tal, das sich langsam wieder mit Ausgestoßenen und Halbtoten füllte, mit rätselhaften kleinen Tieren und wild wuchernden Pflanzen, die überall dort Wurzeln schlugen, wo unterirdische Feuchtigkeit war oder wo einer der seltenen Regenfälle etwas Wasser zurückgelassen hatte.
    Eines Tages kam ein Mann in die Geisterstadt.
    Er hatte sich einst Grozza genannt, aber diesen Namen abgelegt, als ihn die Krankheit überfiel und zum Ausgestoßenen machte. Er hatte keinen anderen Platz gefunden als dieses Tal. Als er eine andere Kreatur traf, die schon länger hier ihr erbarmungswürdiges Schicksal fristete, erfuhr

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