Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
erhob mich, dankbar, dass meine Beine nicht unter mir nachgaben. » Ich … ich muss mich hinlegen.«
» Brauchst du Hilfe?«, fragte Ezra besorgt.
» Nein«, antwortete ich kopfschüttelnd. » Nein. Ich bin absolut …« Ich verstummte. Ich wusste nicht, was ich war.
Milo stand auf, um mir zu helfen, aber ich winkte ab. Er sollte lieber bei Leif bleiben und sich mit ihm aussprechen. Ich hatte dazu keine Kraft mehr. Mein Gehirn war wie leer gefegt.
Es war fast ein Uhr nachmittags und ich hatte noch nicht geschlafen. Die letzte Nacht war die längste meines Lebens gewesen. Erst die schreckliche Erkenntnis, dass ich Janes Todesqualen miterlebt hatte, dann der Überfall der Vampirjäger, der Streit mit Jack und schließlich die Nachricht, dass mein Vater ein Vampir war. Das war alles ein wenig zu viel gewesen.
Ich schleppte mich in mein Schlafzimmer hinauf, das gleichzeitig auch Jacks Schlafzimmer war. Doch ich hatte jetzt keine Kraft, um über ihn nachzudenken oder darüber, wo ich morgen schlafen würde. Ich schaffte es nicht einmal aus meinen Klamotten, sondern fiel, so wie ich war, aufs Bett. Bevor ich wegdämmerte, hörte ich immer wieder Maes Worte in meinem Kopf widerhallen.
» Wir sind für dich nur ein Mittel zum Zweck.«
Kapitel 22
Als ich den beschlagenen Badspiegel freiwischte und mich darin betrachtete, staunte ich über mein frisches Aussehen. Denn ich fühlte mich noch wie gerädert, und das, obwohl ich lange geschlafen und heiß geduscht hatte.
Der Schmerz über die Trennung von Jack war noch heftiger geworden. Ich hatte gehofft, er würde abklingen wie der Schock über Leifs Neuigkeit, doch er pochte heftig in mir wie eine eiternde Wunde. Und wenn ich heute noch nicht geweint hatte, lag das nur daran, dass ich mich letzte Nacht vollkommen leer geweint hatte.
Mir gingen Maes Worte nicht aus dem Kopf. Was war, wenn sie recht gehabt hatte? Wenn ich weder für Jack noch für Peter bestimmt war, sondern nur dafür, ein Vampir zu sein? Hatte ich dann jemals einen von beiden wirklich geliebt?
Beim bloßen Gedanken an den gestrigen Streit mit Jack wurde mir übel. Mein Leben ohne ihn kam mir vor wie ein beängstigender Wirbelsturm. Diese Verzweiflung musste doch bedeuten, dass ich ihn liebte. Dass ich ihn wirklich und wahrhaftig liebte. Das konnte nicht nur eine in mir verwurzelte biologische Reaktion sein, die allein dem Zweck diente, dass ich zum Vampir wurde. Oder?
Doch was machte es noch für einen Unterschied, ob ich Jack wirklich liebte oder nicht. Er hatte mit mir Schluss gemacht.
» Alice?« Ohne anzuklopfen, öffnete Jack die Badezimmertür.
» Jack!«, rief ich erschrocken. Ich war noch nicht angezogen und zog das Handtuch, das ich um mich geschlungen hatte, enger.
» Was ist?«, fragte Jack, von meiner Verlegenheit überrascht. » Es ist nicht so, dass ich dich noch nie nackt gesehen hätte.«
» Du hast mich verlassen«, erinnerte ich ihn. » Du wirst mich nie wieder nackt sehen.«
» Du bist in meinem Badezimmer«, konterte er.
» Du wirst mich trotzdem nicht nackt sehen. Würdest du mich jetzt also bitte alleine lassen, damit ich mich anziehen kann?«
Ohne weiteren Widerstand verließ er das Badezimmer, und sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte ich mich, um Luft ringend, ans Waschbecken. Ich schluckte schwer und sprach mir innerlich Mut zu.
» Also, Alice, ich wollte nur …«, sagte Jack durch die Badezimmertür hindurch. » Ich wollte mit dir reden.«
Ich zog mich in aller Eile an, weil ich nicht wusste, wie lange er warten würde. Er wurde schnell ungeduldig, und vielleicht hatte er mir ja etwas Erfreuliches zu sagen, wie etwa, dass es ihm leidtat, gestern so unfair zu mir gewesen zu sein. Sicher, ich hatte ihn angelogen. Aber das war nicht das große Drama, das er daraus gemacht hatte.
Mein Haar war noch feucht, als ich aus dem Badezimmer trat. Jack stand mit verschränkten Armen am Fußende seines Bettes und vermied es, mich anzuschauen.
Seine Nähe erfüllte mich normalerweise mit einem warmen Kribbeln, das aber nichts mit Schmetterlingen zu tun hatte. Ich hatte dieses Gefühl, seit er mich zum Vampir gemacht hatte und wir durch unser Blut miteinander verbunden waren. Es fühlte sich an, als seien unsere Herzen durch ein unsichtbares Band miteinander verknüpft, sodass sich mein Körper ganz natürlich und wie von selbst dem seinen zuwandte. Als seien wir durch unser Blut magnetisch miteinander verbunden.
Doch nun war es anders. Ich empfand nur
Weitere Kostenlose Bücher